Deutschlands größter Energiekonzern EON hat einen radikalen Strategiewechsel verkündet. Künftig will sich das Unternehmen ganz auf erneuerbare Energien konzentrieren – ein Kurs, der nicht ohne Risiken ist.

Häufige Strategiewechsel in den letzten Jahren

Die neue Strategie ist nicht der erste Versuch, dem Konzern eine andere Richtung zu geben. 2006 hatte EON sich vergeblich um die Übernahme des spanischen Energieriesen Endesa bemüht. In der Folge betrieb Vorstandschef Benotat eine forcierte Internationalisierungsstrategie, die dem Konzern eine hohe Schuldenlast einbrachte. Die Erwartungen, insbesondere beim Engagement in Südeuropa, wurden allerdings nicht erfüllt. Unter seinem Nachfolger Johannes Theyssen begann daher bereits ein Gegensteuern. EON hat sich in den vergangenen Jahren von einer Reihe an Beteiligungsengagements wieder getrennt, um durch Desinvestments den riesigen Schuldenberg abzubauen und neue finanzielle Spielräume zu gewinnen. Rund 20 Milliarden Euro wurden damit erzielt, dennoch blieb eine Schuldenlast von 31 Mrd. Euro übrig.

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Ein Konzern zerschlägt sich selbst

Nach Fukushima und im Zuge der Energiewende wurden dann auch erneuerbare Energien verstärkt in den Blick genommen. EON setzte sich besonders ehrgeizige Ziele bei der Reduzierung der CO2-Emissionen und es wurde gezielt in alternative Stromerzeugung investiert. Dennoch machen die erneuerbaren Energien bei EON bisher nur 11 Prozent des produzierten Stroms aus, 22 Prozent kommen immer noch aus dem Auslaufmodell Kernkraft und 32 Prozent aus Kohlekraftwerken. Diese Zahlen machen den enormen Einschnitt deutlich, den der Strategiewechsel mit sich bringt: denn künftig will sich EON nur noch mit erneuerbaren Energien beschäftigen, das Geschäft mit konventioneller Energieerzeugung soll dagegen aufgegeben werden. EON zerschlägt sich praktisch selbst, ein Vorgehen ohne Beispiel in der deutschen Unternehmensgeschichte der Nachkriegszeit.

Die neue EON und eine Bad Company

Die von Konzernchef Theyssen verkündete neue Strategie sieht folgerichtig die Aufspaltung in zwei Unternehmensteile vor. Die ’neue‘ EON soll sich künftig schwerpunktmäßig mit Netzen, mit dezentralen und erneuerbaren Energien befassen. EON will sich damit auf die bereits heute absehbare Entwicklung einstellen, bei der immer mehr Strom vor KernkraftwerkOrt – zum Teil direkt beim Verbraucher – erzeugt und zur Verfügung gestellt wird, die zentrale Produktion über Groß-Kraftwerke verliert demgegenüber zunehmend an Bedeutung.

Die konventionelle Energieerzeugung von EON wird dagegen in einer Art ‚Bad Company‘ zusammengefasst und soll nach und nach über die Börse veräußert werden.Damit wird ein Vorgehen verfolgt, das auch schon von Banken im Zuge der Finanzkrise durch die Gründung von ‚Bad Banks‘ vorgeführt wurde. In der Bad Company wird auch die Finanzierung für den nötigen Abriss der EON-Kernkraftwerke gebündelt, die schon gebildeten Rückstellungen fließen diesem Unternehmensteil zu. Ebenfalls von der Bad Company übernommen werden der internationale Energiehandel, der Bereich Exploration und Produktion sowie das krisenbehaftete Russland- und Brasiliengeschäft.

Berater Tipp

EON künftig groß genug?

Der – seit längerem im Sinkflug befindlichen – EON-Aktie gab der angekündigte Strategiewechsel zunächst neuen Schub. Ob der anhalten wird, bleibt abzuwarten. Der radikale Kurswechsel besitzt eine Reihe von Unwägbarkeiten und ist im Konzern mit gravierenden Veränderungen verbunden, die erfahrungsgemäß nicht ohne Reibungsverluste vor sich gehen werden. Manche Experten bezweifeln, ob die neue EON groß genug sein wird, um sich alleine am Markt zu halten. Der Markt der Energieversorger in Deutschland erhält auf jeden Fall mit dem EON-Schritt ein neues Gesicht. Im laufenden Geschäftsjahr wird EON voraussichtlich mit einem deutlichen Nettoverlust abschließen. Alleine im vierten Quartal werden wohl 4,5 Mrd. Euro abgeschrieben werden müssen, schon in den ersten neun Monaten waren es 700 Mio. Euro gewesen.

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Titelbild: © iStock.com/Six Dun
Textbild: © iStock.com/TBE