Die Frage ob Großbritannien den Austritt aus der Europäischen Union, den sog. Brexit (Britain exit), wagen wird ist eine der spannendsten politischen Fragen dieses Sommers. Schon jetzt nehmen die Kursschwankungen des britischen Pfundes gegenüber dem Euro zu, Befürworter des Austritts und Gegner eines unabhängigeren Großbritanniens liefern sich einen interessanten und erstaunlich kultivierten Argumentetausch.

Erstaunlicherweise ist die Mitgliedschaft in der EU kein Automatismus

Anlässlich der Brexit-Debatte beschäftigte sich die Tagespresse auch verstärkt mit den Europäischen Verträgen. Die erstaunliche Erkenntnis: Seit 2009 ist in den Europäischen Verträgen sogar explizit die Möglichkeit genannt, das ein Land austritt. Einzige Voraussetzung: Der Austritt wird so erklärt, dass er mit der „inländischen“ Verfassung des Austrittslandes konform ist.

In Deutschland würde dies bedeuten, dass ein Gesetzgebungsverfahren starten müsste und mindestens der Bundestag zustimmen müsste. Erst vor diesem Hintergrund wird die Seriosität der Brexit-Abstimmung deutlich: Eine Beendigung der Mitgliedschaft ist nicht undenkbar, wie es viele Jahre lang dargestellt wurde. Deshalb kann die Debatte ganz ohne Zweifel und unvoreingenommen beginnen. Die Menschen können die „erlernte Hilflosigkeit“ in Bezug auf die EU-Bürokratie über Bord schmeißen.

Mehr als 511.593.936.900 Argumente gegen die EU (> 511 Milliarden)

Aus der Brexit-Kampagne ist inzwischen eine breite politische Bewegung geworden, die von vielen angesehenen Persönlichkeiten aus Großbritannien unterstützt wird: Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson ist dort ebenso zu finden, wie konservative Abgeordnete und auch frühere Unterstützer des (Noch-) Premierministers Cameron.

Basis der Kampagne ist der erhebliche Schaden, der Großbritannien durch die Mitgliedschaft entstehen würde. Gelder werden nach Europa transferiert, isnsgesamt sind dies schon mehr als 511 Milliarden Pfund. Dafür bekommt Großbritannien wenig zurück, Entscheidungen in Brüssel destabilisieren sogar die Volkswirtschaft durch eine überbordende Bürokratie.

Für die Ihnen praktisch jeder Unternehmer in Großbritannien (oder Deutschland) zig Beispiele nennen könnte. Angestrebt wird stattdessen eine neue Vertragsbeziehung in der Art der Beteiligung an einem Binnenmarkt ohne die Nachteile der Eurokratie in Kauf nehmen zu müssen.

Also ähnlich wie die Assoziierung der Schweiz. Die Kampagne zeigt deutlich, dass bisher von den Mainstream-Medien ausgesprochene Denkverbote zu hinterfragen wären. Zudem kist Großbritannien auch ein bedeutendes Zielland für viele EU-Exporte, weshalb die oftmals von den Befürwortern behauptete Abkoppelung gar nicht stattfinden würde.

Video: ZDF Heute Show – The UK leaving the EU (English Subtitles)

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Aktuelle Umfragen sagen ein knappes Ergebnis vorher

Die Kommunikationsstrategien der Regierung und der „Vote leave. Take control“-Bewegung könnten nicht unterschiedlicher sein. Während auf der einen Seite mit bisherigen Ist-Zahlen und möglichen besseren Verwendung der transferierten Mittel (beispielsweise für Krankenhäuser) argumentiert wird, kommunizieren die Brexit-Verweigerer beinahe schon von oben herab.

Sie haben das einzig mögliche, funktionierende Wirtschaftssystem und ein Brexit würde bis zu 4 Millionen Arbeitsplätze (!) kosten. Eine Begründung wird nicht geliefert, obwohl Großbritannien sogar ein Handelsdefizit mit der EU hat. Darüber hinaus kündigten schon einige Großbanken Standortverlagerungen an, wenn es zum Brexit kommen würde.

Zeitgleich verlor das Englische Pfund an Außenwert. Eine Prognose zum Ausgang des Referendums sind schwer, doch wagt unsere Redaktion diese im abschließenden Kapitel. Bevor weitergelesen wird, hilft vielleicht noch ein Blick in die Wettleidenschaft der Briten.

Wahrscheinliche Wahlausgänge oder auch die Resultate von großen Sport-Turnieren werden oft durch die gezahlten Wettquoten sehr zutreffend prognostiziert. Würden Sie bei einem der führenden Wettportale am 08.06.2016 10 Pfund setzen, dann erhält der Wetter:

+ 34 Pfund, wenn er auf „Vote leave“ wettet
+ nur 13,33 Pfund, wenn auf den Verbleib in der EU gesetzt wird.

Damit sehen die Wettbüros den Verbleib in der EU als eindeutig wahrscheinlicher an.

Die Wähler werden die Chancen des Brexits wahrscheinlich verspielen

Im Moment zeigen die aktuellen Umfragen ein Patt zwischen den Befürwortern eines Brexits und den Verweigerern der Selbständigkeit Großbritanniens an. Allerdings sind es noch fast 2 Wochen bis zum Wahltag. Es wird sich zeigen, ob der Wahltag wirklich Zahltag ist oder ob der Verbleib Großbritanniens vorerst gesichert bleibt.

In der heißen Phase ist mit einem Eingreifen der gut geölten Euro-Befürworter-Medienmaschinerie inklusive des gesamten Gewichts der Brüsseler Zentralverwaltung zu rechnen. EU Schulz und Juncker sowie auch alle Empfängerländer der Europäischen Union werden wahrscheinlich alles daran setzen, dass die vier großen Nettozahler in der EU verbleiben.

Momentan zahlen lt. Statistik der Bundeszentrale für politische Bildung lediglich Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Niederlande per Saldo mehr ein, als sie von der EU erhalten. Es wird in den Massenmedien und Zeitungen sowie bei den Veranstaltungen vor Ort zu enorm spannenden politischen Debatten kommen.

Berater Tipp

Unsere Prognose:

Wenn die griechischen Staatsfinanzen vor dem Wahltag nicht zusammenfallen und erneut „gerettet“ werden müssen und auch der EU-Türkei-Konflikt nicht entschärft wird, dann wird sich die professionelle politische Kommunikation der EU durchsetzen. Unsere Redaktion schätzt das Abstimmungsergebnis auf 53 % für den Verbleib, 47 % für den Austritt. Die ersten Börsenbriefe beginnen ja schon mit Spekulationen über das Verbleiben Englands in der EU – Bremain genannt.

Titelbild: © istock.com – miluxian