Der Brexit, also der mögliche Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, elektrisiert die Briten und den Rest Europas. Die Folgen für die Wirtschaft der Insel wären jedenfalls dramatisch, sagen Wirtschaftsverbände.

Raus oder nicht raus – das ist die Frage

Wenn die Briten am 23. Juni in einem Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union (EU) abstimmen, geht es ans Eingemachte. Für die einen dreht sich alles um die eigene Identität, um das Britisch-Sein, das sie durch die Bürokraten in Brüssel gefährdet sehen. Die anderen fürchten um die Wirtschaft, die nun mal eng mit der der EU verwoben ist und durch eine Loslösung erheblich Schaden nehmen dürfte. Frei nach Shakespeares Hamlet lautet die Frage also: Raus oder nicht raus? Für die Wirtschaftsverbände des Landes ist die Antwort klar, sie wollen nämlich auf gar keinen Fall raus. In einer Studie für den britischen Industrieverband CBI hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) denn auch errechnet, dass der Brexit Großbritanniens Wirtschaft bis zum Jahr 2020 rund 100 Milliarden Pfund, also etwa 128 Milliarden Euro, und 950 000 Arbeitsplätze kosten könnte. Kein Wunder also, dass Premier David Cameron, der das Referendum überhaupt erst auf den Weg gebracht hat, zwischenzeitlich mit Engelszungen für einen Verbleib seines Landes in der EU wirbt.

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Finance Exit – Gefahr für den Finanzplatz London

Um freilich wirklich zu verstehen, welche dramatischen Folgen es haben würde, wenn Großbritannien der EU den Rücken kehrt, muss man sich die Wirtschaftsstruktur des Landes ansehen. Längst spielt dort die Industrie bzw. das verarbeitende Gewerbe nämlich eine eher untergeordnete Rolle. Von zentraler Bedeutung hingegen ist der Finanzsektor, versinnbildlicht in der Londoner City.
Mit einem Wertschöpfungsanteil von rund acht Prozent und einem immens hohen Anteil am Steueraufkommen ist er ein Faktor, mit dem man in jeglicher Hinsicht rechnen muss. Ein Brexit würde mindestens für erhebliche Verunsicherung in diesem Bereich sorgen, befürchtet der Europäische Finanzmarktverband AFME. Verunsicherung aber ist pures Gift für den Finanzmarkt.

Berater Tipp
Ganz zu schweigen davon, dass mit einem Austritt wohl erhebliche Beschränkungen auf Banken und Investmentfirmen in Sachen Kapitalverkehr mit den Staaten der EU zukommen würden. Dass eine ganze Reihe internationaler Großbanken, die ihren Europasitz in London haben, ihre Position überdenken müssten, kommt hinzu.

Weniger Einfluss, nichts mehr zu sagen

Großbritannien würde durch einen Brexit aber natürlich auch seinen Einfluss auf die Gesetz- und Regelgebung in der Europäischen Union verlieren. Das würde wiederum den Finanzsektor erheblich treffen, dem zuliebe sich die Regierung bislang so gut es eben ging gegen eine weitere Verschärfung der Regeln für Banken und Investmenthäuser stemmte. Auch sonst müsste man mehr oder weniger tatenlos dabei zu sehen, wie die EU-Länder und damit die nach wie vor wichtigsten Wirtschaftspartner der Insel ihre ökonomische Agenda verändern. Auch wenn die Briten natürlich weltweit agieren und insbesondere eine enge wirtschaftliche Verflechtung mit den USA besteht, wird es selbstverständlich nicht ohne Folgen bleiben, wenn die Briten in der EU nichts mehr zu sagen haben. Handelshemmnisse und neue bürokratische Hürden dürften zusätzlich für erhebliche Verwerfungen in der britischen Wirtschaft sorgen.

Brexit, bloß kein Exitus

Noch ist völlig unklar, wie das Referendum im Juni ausgehen wird. Bislang halten sich Befürworter und Gegner in etwa die Waage. Unbestreitbar ist, dass ein Brexit die Wirtschaft des Landes definitiv hart treffen würde. Zu wünschen ist ihm im Fall des Falles freilich, dass daraus kein ökonomischer Exitus wird.

Titelbild: © istockphoto – Zerbor