Mitte April jedes Jahres gibt es einen für die Betrachtung der aktuellen Konjunktur- und Wirtschaftslage sehr bedeutenden Termin: Die Wirtschaftsforschungsinstitute geben das Frühjahrsgutachten heraus. Dieses besteht aus einer Prognoserechnung für die Konjunktur bzw. Wachstumsraten des laufenden Jahres und enthält je nach wirtschaftlicher Situationen auch Handlungsideen für die Regierung.

Das Wirtschaftswachstum im Jahr 2015 würde lt. Gutachten nunmehr 2,1 Prozent betragen – und fällt damit höher aus als erwartet. Diese höhere Wirtschaftsleistung führt zu mehr Einkommen bei den privaten Haushalten, aber auch höheren Steuereinnahmen. Deshalb beginnt die Diskussion darüber, wie diese verbesserte Einnahmenbasis genutzt werden kann.

Steuersenkungen könnten den Konjunkturmotor richtig anspringen lassen

Die Wirtschaftsforschungsinstitute sehen den niedrigen Ölpreis und die den Export fördernde Kursveränderung des Euros als zwei Ursachen für das Anspringen des Konjunkturmotors. Sie gehen von weiteren Impulsen aus, wenn es zu einer Kaufkraftsteigerung bei den Privathaushalten kommt. Da sich Gehalts- und Lohnerhöhungen als Kostenbestandteile negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken würden, empfehlen die Wirtschaftsforschungsinstitute die Steigerung der privaten Kaufkraft auf einem anderen Wege.

Sie plädieren für eine Steuersenkung, die sich dann jeden Monat als höheres „Netto“ bei den Bürgerinnen und Bürgern widerspiegeln würde. Die verschiedenen Koalitionspartner in der Bundesregierung bewerten diesen Vorschlag selbst aber höchst unterschiedlich, was sich unter Umständen sogar zu einem starken Koalitionskrach auswachsen könnte.

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Die CDU/CSU verteidigen die Politik der Haushaltskonsolidierung und des Schuldenabbaus

Mit dem Bundesfinanzministerium besetzt die CDU eines der Schlüsselresorts, Wolfgang Schäuble gilt als einer der stärksten Minister unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er reagiert kantig, offen und ehrlich, wie es die Menschen von ihm gewohnt sind. Er erteilt jeglichen Steuersenkungsplänen eine Absage die Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ist vorrangig zu bewerkstelligen. Neben einer klaren politischen Linie beharrt er auch auf dem Koalitionsvertrag für die Regierungsperiode von 2013-2017.

Dieser würde keine Steuersenkungen enthalten, weshalb Projekte in diesem Bereich auch nicht zum Regierungsauftrag gehören – so ähnlich könnte seine Antwort auf eine Frage nach Steuersenkung lauten. Im Klartext steht im Koalitionsvertrag auf Seite 62: „Die von der letzten Großen Koalition verabschiedete
Schuldenregel […] ist strikt einzuhalten.“ Zudem scheint es einen breiten Konsens innerhalb der CDU/CSU gegen Steuersenkungen zu geben, zumal die geplante PKW-Maut zur Finanzierung von Straßen und Infrastruktur sehr spät (wenn überhaupt) umgesetzt werden kann.

Berater Tipp

Seit Januar 2015 erschallt der Ruf der SPD nach Steuersenkungen

Die SPD befindet sich in der großen Koalition als Junior-Partner in einer schwierigen Lage: Das Feld der Außenpolitik ist im Moment mehr durch die Bedrohung durch islamistischen Terror und militärische Konflikte, denn durch außenpolitische Initiativen gekennzeichnet. Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister ist in seiner Außenwirkung teilweise begrenzt, da die Bundeskanzlerin viele Themen zur Chefsache erklärt hat. Vor diesem Szenario sucht das Ministerium dringend nach Möglichkeiten, gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, die Konjunktur anzukurbeln und den Wert der SPD für die Menschen zu verdeutlichen.

Deshalb wird erschallt seit einigen Monaten aus SPD-Kreisen der Ruf nach Steuersenkungen: Zuerst einmal solle die kalte Progression abgemildert oder abgeschafft werden. Die pro Einnahmen-Euro der Menschen steigenden Steuersätze seien ungerecht, wenn die Berechnungstabellen nicht jedes Jahr angepasst werden würden. Diese Forderung nach Steuersenkungen haben neue Munition durch die positive Konjunkturprognose erhalten. Vielleicht wäre ja über den Abbau der kalten Progression hinaus auch eine weitere Steuersenkung möglich? Diese würde die SPD als eine Ihrer Leistungen der Großen Koalition vermelden können.

Der „Steuerstreit“ ist Zeichen lebendiger Demokratie

Manchmal verfestigt sich bei den Menschen zu schnell und zu sehr der Eindruck, dass in einer Regierung und einer Koalition viel zu häufig „gestritten“ werden würde. Allerdings geht es hier nicht um sinnfreie Aggression oder Streit als Selbstzweck, sondern um das gemeinsame Ringen nach dem besten, gangbaren Weg. Aus heutiger Sicht kann unsere Redaktion leider nicht wissen, ob und welche Steuersenkungen überhaupt kommen. Allerdings sind alle Menschen Gewinner der Diskussion, weil sie zeigt, dass sich jemand um die Wirtschaft und die Finanzen kümmert.

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Bildquelle: ©iStock.com/Ximagination