Nicht nur im Wahlkampf spielt das Thema der gerechten Verteilung der Steuerlast eine hervorgehobene Rolle. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass es um eine wesentliche Frage des Zusammenlebens und der gesellschaftlichen Organisation in einer Demokratie geht. Sollen „starke Schultern“ auch wirklich mehr tragen und schultern? Oder zeichnet sich ein Leistungsträger dadurch aus, dass er ohnehin schon viel zu viel in den Staat einzahlt und nur zu wenig herausbekommt. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Steuerpolitik, die ja auch die Finanzierungsgrundlagen legt und damit indirekt festlegt, welche Leistungen den Menschen zur Verfügung gestellt werden.
Die Steuerlast großer Unternehmen wird geschickt minimiert
In den letzten Monaten war die Aufregung gewaltig, als ein großer weltweit tätiger Onlineshop und eine Kaffeehauskette bezichtigt wurden, in Deutschland fast keine Steuern zu bezahlen. Obwohl das Steuerrecht überaus komplex ist, so lässt sich anhand zweier Beispiele sehr gut erläutern, wie ein Konzern vollkommen legal die Steuerregelungen der einzelnen Länder gegeneinander ausspielen und so seine Steuerlast minimieren kann. In einer Schritt-für-Schritt Betrachtung wird deutlich, wie schnell und einfach die Organisationsgrundlagen für die Steuerminimierung gelegt werden können.
Internationale Arbeitsteilung eines Online-Händlers
Der weltweit führende Onlineshop hat sich sicherlich viele Gedanken gemacht, wie er aufgrund der geringen Margen und des harten Wettbewerbsdrucks überleben und sein Wachstum finanzieren kann. Das Ergebnis ist eine Struktur, die den Warenversand möglichst nah an die Menschen bringt – und damit schnelle Lieferzeiten ermöglicht. Aus diesem Grund gibt es an mehreren strategisch günstig platzierten Standorten in Deutschland Versandzentren. Aufgrund der in Deutschland vergleichsweise hohen Steuerlast aus Ertragsteuern, Mehrwertsteuer und Gewerbesteuer hat sich der Onlineshop aber dazu entschieden, zentrale Funktionen beispielsweise in Luxemburg anzusiedeln. Vertragspartner des onlineshoppenden Kunden wird also die Unternehmenszentrale.
Video: Flucht in die Karibik – Steuerflucht von Großkonzernen
Diese zieht auch den Kaufpreis der Waren vom Konto ein und agiert damit vollumfänglich als Vertragspartner. Von Luxemburg aus geht dann der Verpackungs- und Versandauftrag an das örtliche Versandzentrum in Deutschland. Obwohl das Unternehmen die internen Verträge nicht offenlegt ist davon auszugehen, dass der deutsche Standort in der internen Verrechnung lediglich eine Lager- und Verpackungspauschale gutgeschrieben bekommt.
Es werden die dortigen Ausgaben wie Löhne und Gehälter bezahlt und ein vergleichsweise kleiner Gewinn entsteht.
Verrechnungssätze führen zu geringen Gewinnen
Da alle diese Pauschalen und Verrechnungssätze den internationalen Gepflogenheiten entsprechen kommt es leicht zu Irritationen: Das Unternehmen fühlt sich ungerecht der Steuerminimierung bezichtigt, die Menschen in den Ländern, in denen die Versandzentren stehen, hätten gerne mehr vom Steuerkuchen abbekommen.
Die Kaffeehauskette und ihre Markenrechte
Ein weiterer Kritikpunkt entzündet sich an internationalen Verrechnungspreisen für die Markenrechte und das geistige Eigentum an Logos, Geschäftsprozessen, Maschinen und dem Markenwert. Alle diejenigen, die behaupten, dass die Kaffeehausketten in Deutschland zu wenig Steuern zahlen würden, stellen die jahrzehntelange Praxis des internationalen Handels in Frage. Der Erfinder des Franchise-Systems (sei es eine Kaffeehaus-Kette oder ein Fast-Food-Restaurant) bietet jungen Unternehmensgründern oftmals einzigartige Chancen mit einem erprobtem Konzept.
Die Jungunternehmer müssen so nicht alle Fehler selbst machen, sondern können auf einem hohen risikoärmeren Punkt der Lernkurve einsteigen. Für die Nutzung des geistigen Eigentums des Franchisegebers zahlen sie allerdings eine monatliche Gebühr. Diese wird in diesem Konstrukt im Inland als Aufwand (mit steuermindernder Wirkung) verbucht und in der Unternehmenszentrale als Gewinn eingebucht.
Werden diese Unternehmen größer so verkaufen sie dieses geistige Eigentum meist an eine dem Unternehmen gehörende Zwischenfirma, die ihren juristischen Sitz und ihr Büro in einem Land mit niedriger Besteuerung hat. So verwundert es nicht, dass viele dieser Unternehmen ihren Sitz in Holland haben, was auf den Unterlagen meist auch durch den Zusatz der Rechtsform „B.V.“ erkannbar ist.
Mögliche Lösungsansätze
Bei der Betrachtung der verschiedenen Steuerspar- und Steuerverlagerungsmodelle vergessen die meisten Menschen leider, dass es nur um die Verlagerung der gewinnabhängigen Steuern geht. Ein Großteil der von den Unternehmen insgesamt getragenen Steuern und Sozialabgaben beispielsweise auf Löhne und Gehälter wird ohnehin bezahlt. Im Endeffekt geht es um die Frage, ob auf denn dann entstehenden Gewinn ein Steuersatz von 30 Prozent oder mehr bezahlt wird oder ob Schlupflöcher gesucht werden, um diesen Wert unter 10 Prozent zu dürcken.
Darüber hinaus ist diese Diskussion auch leicht wirklichkeitsverzerrend. Viele Marktteilnehmer machen es sich zu einfach, wenn sie hemmungslose Kritik an den „bösen Konzernen“ üben. Diese verdeckt nämlich den wahren Kern: Und der liegt – beispielsweise bei Buchhändlern oder Cafés – darin, dass jahrzehntealte Geschäftsmodelle eben nicht mehr weiterentwickelt werden. Buchhändler organisieren keine Lesungen oder Events und denken, dass „Bücher in die Regale stellen“ ausreichen würde. Cafés bieten dieselben Kuchensorten seit Jahrzehnten an und investieren nicht in das Mobiliar.
Aus diesem Grund plädiert unsere Redaktion für etwas mehr Gelassenheit in der Frage der internationalen Steuergestaltung. Innovation und Mehrwerte setzen sich eher durch als eine Reduktion der Gewinnbesteuerung, die ohnehin ja nur bei erfolgreicher Geschäftstätigkeit anfällig.
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Titelbild: © Vladitto – shutterstock.com
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