In den letzten Monaten diskutiert die SPD immer mal wieder, ob denn die Steuern in Deutschland nicht noch einmal erhöht werden sollte. Im Gespräch ist die Abgeltungsteuer, die von derzeit 25 % auf alle Kapitalerträge auf den persönlichen Grenzsteuersatz angehoben werden soll. Doch dabei vergessen die Initiatoren, dass der Mittelstand schon heute fast die gesamte Steuerlast alleine trägt. Viele Großunternehmen nutzen Steuerschlupflöcher im Ausland und zahlen nur einen Bruchteil der Steuern. Dadurch entsteht Schaden in Milliardenhöhe.

Nicht im Inland gezahlte Steuern verzerren den Wettbewerb zweifach

Viele Konzerne mindern ihre Steuerlast erheblich auf eine Art und Weise, die vor wenigen Jahren noch als Kavaliersdelikt angesehen wurde. Sehr beliebt war die Gründung von Finanzierungsgesellschaften in einem Niedrigsteuerland, welches den Unternehmen das eigene Geld zu einem exorbitant hohen Zinssatz verlieh. Die Folge war und ist, dass beispielsweise die deutsche Niederlassung des Unternehmens erheblich weniger Gewinn verbuchen kann, als es bei einer fairen Betrachtung erwirtschaften würde. Dann entfällt in vielen Fällen nicht nur die Steuer auf die Unternehmensgewinne, sondern auch die Gewerbesteuer.

Dies trifft insbesondere die Kommunen hart: Deren Infrastruktur wird genutzt, Investitionen sind erforderlich. Allerdings beteiligen sich die nutznießenden Großunternehmen nicht am Bau von Straßen, dem Erhalt von Schulen oder dem öffentlichen Nahverkehr. Damit entfaltet sich ein Doppelschlag: Die notwendigen Kosten müssen auf die kleinere Zahl der im Inland bilanzierenden Steuerzahler verteilt werden, deren Abgaben steigen. Das Großunternehmen verbessert so die eigene Kostensituation und verschlechtert gleichzeitig die der Wettbewerber. Presseberichten zufolge verschieben einzelne Unternehmen (wie ein Stromversorger ) alleine bis zu 130 Millionen Euro nach Luxemburg und zahlen dort dann einen kleinen vierstelligen Betrag Steuern.

Video: Großkonzerne G20 wollen Steuerschlupflöcher schließen

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Aufblähung einer volkswirtschaftlich unproduktiven Branche

Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren negativen Effekt durch die Verlagerung von Investitionen in Humankapital. Für viele junge Leistungsträger ist plötzlich nicht mehr die Karriere in einem heimischen Mittelstandsunternehmen attraktiv. Stattdessen können die mit der Steuervermeidung beauftragten Unternehmen wie Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfer mit exorbitanten Gehältern locken. Der Kampf um die Talente wird damit noch schwieriger als er ohnehin schon war. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist diese künstliche Aufblähung des Dienstleistungssektors ebenso bedenklich: Die Berater der Steuervermeider erschaffen ja keine Güter, sie leben von der Abgabenreduzierung.

Hoch qualifizierte Experten widmen sich nicht etwa der Unternehmensberatung, schaffen neue Produkte oder entwickeln neue Produktlinien: Stattdessen minimieren sie alleine mit einem erheblichen Aufwand die an den Staat – also an uns alle – abzuführenden Gelder.

Nebeneffekt: Höheres Risiko für alle Lieferanten und Gläubiger

Die Verschiebung von Vermögen und die Gestaltung der Transferbeziehungen zwischen einer Finanz- oder Muttergesellschaft im Ausland und örtlichen Niederlassungen führt genz gezielt auch zu einer Risikominimierung in den einzelnen Ländern: Erreichen einzelne Niederlassungen oder ganze Landesgesellschaften in einem Geschäftsjahr nicht die schwarzen Zahlen, dann nutzen diese ganz gezielt den Vorteil der rechtlichen Selbständigkeit: Die Gewinne der Vorjahre oder aus guten Zeiten sind schon längst über die Landesgrenzen transferiert. Dann können Lieferanten und Gläubiger im Insolvenzfall oft nur auf ein Mindestmaß an Sicherheiten zugreifen, wenn es keine Patronatserklärung gibt oder gerade bei kleineren Beträgen der Rechtsweg im Ausland unverhältnismäßig teuer werden würde.

Berater Tipp

Eine Vorbildfunktion und gesellschaftlicher Konsens können den Schaden in Grenzen halten

Die Zeit der ungehemmten Steuerminimierung scheint vorbei: Das Luxemburger-Modell kommt ebenso unter Druck wie ähnliche Konstruktionen auf den englischen Kanalinseln wie Guernsey oder Jersey. Allerdings sollte die ganze Gesellschaft handeln, um die eigene Wirtschaft nicht unnötig zu belasten. Steuern sollten endlich als notwendige Zahlungen angesehen werden, um den unglaublich hohen Standard der Infrastruktur und Lebensqualität in Deutschland aufrechterhalten zu können.

Neben diesem gesellschaftlichen Konsens der Notwendigkeit von Steuern sollten auch Fans von Sportlern und Unterhaltungsgrößen diesen die kalte Schulter zeigen: Wenn eine Skifahrerin nur aus steuerlichen Gründen ins österreichische Kitzbühel oder in die Schweiz umzieht, dann sollte die Startberechtigung für die Nationalmannschaft wie beispielsweise die Olympiamannschaft erlöschen.

Titelbild: © iStock.com/eyegelb