Manchmal sind die Schlagzeilen der großen Tageszeitungen erschreckend: Da ist plötzlich davon die Rede, das Hunderttausende Selbständige nicht zum Arzt gehen könnten. Panikmache oder wahr? Dieser Artikel beleuchtet ein gleichzeitig erschreckendes und erstaunliches Thema. Zehn Jahre nach der angeblichen Einführung der Krankenversicherung für alle schließt die Marktwirtschaft noch immer Menschen davon aus.
Menschen ohne Krankenversicherung – die erste Große Koalition bringt Selbstständige in Schwierigkeiten
Die erste und unvermeidbare Gefahr für Selbstständige droht aus einer Veränderung im Krankenversicherungsrecht, die die erste Große Koalition im Jahr 2007 vorgenommen hat: Seit diesem Zeitpunkt besteht eine unvermeidliche Krankenversicherungspflicht für alle in Deutschland lebenden Personen.
Egal ob sich das Unternehmen in der Aufbauphase befindet, noch Verluste schreibt oder ob die Erträge einbrechen weil das Unternehmen im Grenzgebiet zu einem EU-Billiglohnland befindet: Die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage lässt sich vermeiden. In vielen Fällen greift die Krankenversicherung auf die Substanz oder das Privatvermögen der Selbständigen zu. Die erste Gefahr für Menschen ohne Krankenkassenschutz ist, dass sie mit ihrem Privatvermögen haften müssen.
Verlust des Löwenanteils des Versicherungsschutzes droht schon nach 2 Monaten Zahlungsverzug
Eigentlich war das Ziel der Krankenversicherungspflicht ja, dass es keine Bewohner ohne Krankenversicherung mehr geben sollte. Allerdings gibt es einige – dem gesunden Menschenverstand widersprechende – Regelungen: Selbständige, die mit dem Krankenversicherungsbeitrag 2 Monate im Rückstand sind, verlieren einen wesentlichen Teil des Versicherungsschutzes.
Wenn sie sich dafür entschieden haben, als freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu bleiben, dann droht die Schizophrenie: Die Monatsbeiträge werden in voller Höhe zwischen in der Regel knapp über 320 Euro pro Monat bis zu knapp über 540 Euro pro Monat weiterhin zu 100 % fällig.
Allerdings hat der Versicherte nur noch Anspruch auf Notfall-Leistungen: Statt mit der Krankenversicherungskarte können die Betroffenen nur noch mit einer Art Nothilfe-Krankenschein zum Arzt gehen. Damit sieht er den Patienten die Notlage gleich an.
Professionelle Unterstützung
Übrigens: Es gibt Verischerungsmakler, die sich darauf spezialisiert haben, Menschen, welche über keine Krankenversicherung verfügen, zu Helfen.
Hohe Dunkelziffer und nicht sehr belastbare Datenbasis verzerren das Bild
Leider gibt es keine wirklich belastbaren Zahlen dafür, wie viele Selbständige nur mit einer eingeschränkten Krankenversicherung leben müssen. Meist wird die Zahl von etwa um die 80.000-90.000 Leute ohne Krankenversicherung kommuniziert – beruhend auf Umfragen, bei denen angegeben wird ob jemand überhaupt keine Krankenversicherung hat.
Dazu kommt noch die hohe Dunkelziffer derjenigen, die sich in einer Art Graubereich befinden: Sie verfügen zwar über einen Krankenversicherungsschutz, können sich aber viele teure Zuzahlungen und individuelle Gesundheitsleistungen nicht leisten. Umso erstaunlicher ist, dass die Krankenversicherungsfrage im aktuellen Wahlkampf keine Rolle spielt.
Natürlich rechnen die Brancheninteressengruppen das Einkommen der Ärzte klein, aber unabhängige Zahlen zeigen, dass das Durchschnittsbrutto (nach Praxiskosten) von vielen Ärzten weit über 10.000 Euro pro Monat beträgt. Zusammen mit bestimmten Ineffizienzen könnte sich durchaus der Eindruck ergeben, dass Ärzte und Kliniken noch zu wenig Eigenleistung zur Vergünstigung der Krankenversicherungsbeiträge beitragen würden.
Video: Leben ohne Krankenversicherung
Menschen ohne Krankenkassenschutz – die vergessene Minderheit
In Sonntagsreden oder Absichtserklärungen wird immer wieder gefordert, dass der Mittelstand und die Selbständigkeit gefördert werden müsse. Ganz im Gegensatz dazu werden aber ganze Gewerke ausschließlich nach dem günstigsten Preis oder dem sogenannten wirtschaftlichsten Angebot vergeben.
Damit erzielen viele Selbständige gerade einmal das absolute Minimum an notwendigen Einnahmen, um die Substanz des Unternehmens zu erhalten und ihre Lebenshaltung zu finanzieren. Mit dieser Facette des Sozialversicherungsrechts werden auch viele politische Forderungen und Ablenkungsmanöver noch verständlicher.
Bei vielen Selbständigen geht es im Moment nicht darum sich eine goldene Nase zu verdienen oder in Saus und Braus zu leben und eine Riesenrente anzusparen. Sondern schlichtweg um Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes und noch der Arbeitsplätze für einen Mitarbeiter und die eigenen Lieferanten.
Titelbild: ©istock.com – Jirsak
Keine Kommentare
Es gibt noch keine Kommentare! Schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel!