Viele Menschen staunten am Wahlabend insbesondere über das Ergebnis der SPD in Niedersachsen: Die mit der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz verbundenen negativen Emotionen scheinen wie verflogen. Die SPD konnte gegenüber der vorigen Landtagswahl ganze zwei Prozentpunkte hinzugewinnen, die CDU verlor dagegen 5,3 Prozent. Damit sieht es so aus, dass die CDU unmittelbar nach der Bundestagswahl ein wichtiges Bundesland nicht von sich überzeugen konnte. Das Ergebnis der Landtagswahl Niedersachsen löst deshalb schon beinahe ein politisches Erdbeben auf Bundesebene aus!

Zögern & Zaudern: Der Glanz eines Wahlsiegs verblasste in wenigen Wochen

Die Landtagswahlen in Niedersachsen belasten die amtierende Bundeskanzlerin und deren Verhandlungen für eine neue Koalition enorm: Der kolossale Triumph über die SPD mit deren seit langem schlechtesten Ergebnis ist in wenigen Wochen verblasst. Stattdessen zeigten sich CDU und CSU weiterhin sehr uneinig. Eine Partei, die überhaupt nur in einem Bundesland kandidierte, setzte eine etwas aufgeweichte „Obergrenze“ durch und ging auch sonst nicht zimperlich mit der CDU um. Diese Uneinigkeit störte die Landtagswahlen in Niedersachsen, denn die Wähler dachten: Es geht CDU/CSU mehr um die Politiker und Formulierungen, als um die Menschen.

Das Gewicht der Grünen sinkt nach der Klatsche von Niedersachsen

Das amtliche Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen sollte bei den Grünen alle Alarmglocken läuten lassen: Mehr als 89.900 Wählerinnen und Wähler in Niedersachsen entschieden sich nicht mehr für die Grünen, was die möglichen Koalitionspartner im Bund mit Freude aufnehmen könnten: Die Stimmungslage drehte sich zu Lasten der Grünen. Nach Beobachtung der Meldungen aus dem Wahlkampf in Niedersachsen lässt sich vermuten, dass insbesondere das Beleuchten der Inhalte durch die Bundeskanzlerin Stimmen gekostet haben könnte. Sie versah die Grünen mit dem Etikett der Verbotspartei, was in- und ausländische Medien gerne aufnehmen. Insofern gehen die Bundeskanzlerin und auch die FDP emotional gestärkt in die Verhandlungen. Auch wenn sich die Zahl der Bundestagsabgeordneten durch die Niedersachsen-Wahl nicht nachträglich verändert hat.

Video: Berliner Runde zur Landtagswahl in Niedersachsen [ZDF, 15.10.2017]

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Die Landtagswahlen in Niedersachsen üben einen enormen Druck aus

Entscheidend für die Bildung der neuen Bundesregierung wird sein, wie die wohl drei Koalitionspartner den Druck aus Niedersachsen aufnehmen und umleiten können.

Für leichtere Koalitionsverhandlungen spricht:

  • Die Verhandlungsteilnehmer von Bündnis´90/Die Grünen stehen unter einem
    emotionalen Abschlusszwang: Bei einer Neuwahl im Bund könnten sie weniger Abgeordnete bekommen.
  • Die Bundeskanzlerin und CDU/CSU könnten erkennen, dass ein Großteil des Stimmenzuwachses auf das negative Momentum des Kanzlerkandidaten Schulz zurückzuführen war.
  • Die Wählerstimmung und das tatsächliche Wahlergebnis schwanken schneller denn je: Die Bundestagswahl im September gewonnen zu haben bedeutet nicht automatisch den Erfolg im Oktober.

Berater Tipp

Für noch schwierigere Verhandlungen im Bund gibt es die folgenden Argumente:

  • Mit gerade einmal 6,2 % stellte die Alternative für Deutschland für wesentlich weniger Wählerinnen und Wähler eine Alternative dar. Der Austritt der Bundestagsabgeordneten Frauke Petry könnte Parteistrategen zu der Überlegung führen, die AfD auch auf Bundesebene bei Neuwahlen klein halten zu können.
  • Die jüngeren Bundestags-Abgeordneten der SPD spüren einen Aufwind: Sie könnten hinter den Kulissen versuchen grüne Abgeordnete dazu zu bringen, der Jamaika-Koalition nicht zuzustimmen.
  • Die FDP könnte mit einem noch stärkeren Selbstbewusstsein viele der „großen“ Ministerien für sich beanspruchen und damit die Handlungs- und Verhandlungsoptionen der Bundeskanzlerin einschränken.

Fazit: Falscher Zeitpunkt für ein solches Ergebnis der Landtagswahl Niedersachsen

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Landtagswahlen in Niedersachsen für viele Beteiligte zum denkbar falschen Zeitpunkt kam: Insbesondere weil der Aufwärtstrend einer der großen Volksparteien CDU/CSU gebrochen worden ist. Die Streitigkeiten waren noch nicht beigelegt und der aufs Abstellgleis geratene „Schulz-Zug“ gewann wieder an Fahrt. Der enorme Druck auf die Koalitionsverhandlungen kann entweder zu einer schnellen Regierungsbildung von „Jamaika“ führen oder vielleicht sogar zu einer Neuauflage der „Großen Koalition“ – wenn sich die Parteien nicht einigen können. Es bleibt also spannend im politischen Berlin! Insbesondere auch, weil die Air Berlin-Pleite und der noch abzuarbeitende Diesel-Skandal irgendwie den größeren Parteien schon auf die Füße fallen könnten.

Titelbild: ©istock.com – keport