Immer wieder ist in der Tagespresse zu lesen, dass insbesondere der Mittelstand vor einer Kreditklemme stehen würde. Die Hürden für die Kreditvergabe wären so hoch, dass es schon einen dämpfenden Effekt auf die Konjunktur haben würde und Wachstum verhindert. Ist da wirklich etwas dran? Oder handelt es sich um eine Bankenschelte, in der viele von uns – gerade angesichts sehr niedriger Zinsen – gerne mit einstimmen würden. Ein Blick auf die typische Kreditvergabe und die Änderungen der letzten Jahre beantwortet diese Frage.

Grundsätzliche, schleichende Veränderungen des regulatorischen Umfeldes

Viele Mittelständler, die schon lange bei einer Bank Kunde sind, wundern sich über die Veränderungen im Verhalten des Bankberaters. Dieser scheint wesentlich weniger Vertrauen als früher zu haben und verlangt selbst von ihm bekannten Kunden bei einer neuen Kreditvergabe wesentlich mehr Unterlagen. Dafür gibt es zwei Ursachen:

Einerseits hat die Finanzkrise seit 2008 gezeigt, dass eine Bankbilanz nicht in allen Fällen stabil sein muss. Die Beispiele der amerikanischen Bank Fannie Mae oder auch der deutschen Hypo Real Estate (HRE) haben sichtbare Spuren im Selbstbewusstsein der Bankmitarbeiter hinterlassen.

Dazu kommt ein – entgegen der Beteuerungen der Politiker – immer mehr ansteigender Wust an Bürokratie und aufzubewahrenden Dokumenten. Die ausufernden Regelungen der Europäischen Union führen dazu, dass wesentlich mehr Geschäftszahlen angefordert werden und der frühere Blick auf das Firmengirokonto nicht mehr ausreicht.

Es ist nämlich gar nicht so lange her, dass ein Firmenkundenbetreuer mit seinem Filialleiter einfach die Umsätze der letzten Monate durchgeblättert hat und eine Schufa- bzw. Kreditreform-Auskunft angefragt hat. Danach konnte die Kreditvergabe unmittelbar erfolgen.
Die Vorlage von betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) durch den Steuerberater und das Vorlegen aktueller Steuerbescheide stellt in der Tat eine neue Kredithürde gegenüber dem früheren Kredit auf Zuruf dar. Inzwischen verbinden sich die neuen Anforderungen der EU, des deutschen Gesetzgebers und die als Basel III bekannt gewordenen internationalen Abkommen.

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Die DIHK berichtet von einer Kreditklemme bei der Mehrheit der Unternehmen

Neben diesen steigenden bürokratischen Kredithürden gibt es neue Anforderungen an die Banken, mehr Grundkapital als Sicherheit bei den Krediten zu hinterlegen. Damit sinkt bei gleich bleibendem Eigenkapital der Spielraum, Kredite zu vergeben. Kann eine Bank – wie beispielsweise eine Sparkasse – nicht genug neues Eigenkapital einwerben, dann muss sie sich für eine Verkleinerung des Kreditportfolios entscheiden.

Da bestehende Kredite (außer Firmen- und Privatkundendispokredite) nicht grundlos gekündigt werden können, kann diese Verkleinerung der Bilanz nur durch die Einschränkung des Neugeschäfts geschehen. Deshalb können es ja nach Strategie des Bankvorstandes bestimmte Branchen, die als krisenanfällig gelten oder sehr langfristige Kredite in Anspruch nehmen können, schwierig haben.

Berater Tipp

Erstaunlicherweise ist die Niedrigzinsphase Hemmschuh für langfristige Finanzierungen

Eine weitere Kredithürde stellt das Zinsänderungsrisiko gerade in einer Niedrigzinsphase dar. Schließt die Bank jetzt eine Finanzierung mit 10-jähriger Zinsbindung ab, so kann Sie von der von vielen Marktbeobachtern in einigen Jahren erwarteten Zinserhöhung nicht mehr profitieren. Meistens steigen in einer Hochzinsphase nicht nur die Soll- und die Habenzinsen, sondern auch die Zinsmarge.

Deshalb präferiert die Bank Branchen, denen sie vergleichsweise kurzlaufende Kredite anbieten kann. Um eine schnellere Rückzahlung zu bekommen, damit das gebundene Eigenkapital für neue Finanzierungen – zu einer hoffentlich dann höheren Marge – zur Verfügung stehen kann. Damit sind niedrige Kreditzinsen gut für alle diejenigen, die neue Kredit abschließen. Sie können allerdings nur dann günstig für die Unternehmen wirken, wenn der Kredit auch wirklich genehmigt und ausgezahlt werden kann.

Gefährliche Gemengelage aus neuen Regelungen und Risikovermeidung

Zusammenfassend kann man sagen, dass es tatsächlich hohe Kredithürden für Unternehmen gibt. Da diese nicht nur auf eine einzige Ursache zurückgeführt werden kann ist eine schnelle Behebung auch nicht möglich. Die Wirtschaftsverbände und Interessenvertretungen der Unternehmen sollten im Hinblick auf neue bürokratische Regelungen wachsam bleiben. Der Unternehmer selbst muss sich halt unvermeidlich auf ein ausführlicheres Gespräch mit der Bank vorbereiten und neben dem bisherigen Vertrauen auch einige aktuelle Geschäftsunterlagen zur Verfügung stellen.

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