Seit etwa einem Jahr (dem 01. Juli 2014) ist es wieder möglich, mit einem Alter von 63 Jahren die Altersrente zu beziehen und damit die Arbeitstätigkeit zu beenden. Dies steht im Gegensatz zu den Anstrengungen der Regierung, das durchschnittliche Renteneintrittsalter zu steigern und die Rente mit 67 oder noch mehr Jahren durchzusetzen. Ein Bericht des Forschungsinstitutes der Bundesagentur für Arbeit spricht von erheblichen Folgen für die betroffenen Firmen.

Nach 45 Beitragsjahren können Arbeitnehmer abschlagsfrei mit 63 Jahren in Rente gehen

Schon seit langem konnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob sie bis zum Regeleintrittsalter der Rente arbeiten mochten oder ob sie sich frühzeitig für die Rente entscheiden wollten. Im Rahmen der Frühverrentung war es allerdings üblich, für jedes Jahr früheren Renteneintritt einen prozentualen Abschlag auf die erworbene Rente vorzunehmen. Um die Fairness gegenüber denjenigen zu sichern, die bis zur normalen Altersgrenze arbeiten gehen. Seit einem Jahr nun kann die Rente mit 63 abschlagsfrei beantragt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen über die Dauer der Einzahlungen erfüllt sind. In den ersten neun Monaten sind 279.000 Anträge auf die frühere Rente eingegangen, was für die Arbeitsgeber eine oftmals ziemlich unerwartete Belastung mit sich bringt.

Video: Rente mit 63: Wer gewinnt und wer verliert?

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Die Arbeitsagentur sieht kurzfristig jeden neunten Betrieb betroffen

In einer Befragung gab schon jetzt jeder 9. Betrieb an jetzt oder in den nächsten drei Jahren von der Rente mit 63 betroffen zu sein. Allerdings kann sich dieser Wert noch wesentlich erhöhen, wenn sich weitere Arbeitnehmer Rentnerfür diese Form der Frühverrentung entscheiden. Die Firmen sind aus verschiedenen Gründen von der Welle der Frühverrentung betroffen: Allen voran fließt enormes Know-how und Fachwissen ab, da die meisten älteren Arbeitnehmer einen anerkannten Berufsabschluss oder einen akademischen Berufsabschluss haben:

Und deshalb deren Aufgaben nicht einfach durch angelernte Kräfte übernommen werden können. Darüber hinaus können neue Arbeitnehmer nicht sofort und „auf Knopfdruck“ zur Verfügung stehen: In vielen Lehrberufen beträgt die Lehrzeit 3 Jahre, dazu kommt bei meisterpflichtigen Gewerken noch die Ausbildung zum Meister. Manche Aufgaben können auch erst mit jahrelanger Erfahrung perfekt beherrscht werden. Deshalb könnte man sagen, dass ausgerechnet die wertvollsten Arbeitskräfte wegfallen, wenn die Menschen zu früh in Rente gehen.

Auch langjährige Kundenbeziehungen können bedroht sein

In vielen Industriezweigen hat die langjährige Beziehung zwischen dem Kunden und dem Anbieter auch heute noch einen hohen Stellenwert. Denken Sie an den langgedienten „Reparatur-Fuchs“, der jede Anlage oder Maschine binnen kurzer Zeit wieder zm Laufen bringt – und bei den Kunden die Ausfallzeiten minimieren hilft. Oder an beratende Berufe, bei denen jeder Wechsel zu einem Risiko der Kundenabwanderung werden kann. Deshalb ist die Rente mit 63 nicht ein reines Problem der Unternehmensorganisation oder -struktur: Sie kann einen erheblichen Vertrauensvorschuss oder Mehrwert innerhalb des Unternehmens zerstören.

Berater Tipp
Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bundesagentur für Arbeit von mehreren Gegenmaßnahmen der Unternehmen spricht: Unternehmen bieten Teilzeit-Beschäftigung an, damit die Menschen mehr Freizeit genießen können und dennoch weiterhin dem Betrieb zur Verfügung stehen. Zudem werden Prämien angeboten, wenn die Menschen sich gegen die Frühverrentung mit 63 Jahren entscheiden.

Das Angebot der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren ist ein unverständlicher Kompromiss

Die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren bei entsprechend hoher Anzahl der Beitragsjahre ist einer der politischen Kompromisse, die von Seiten der Unternehmerverbände oder auch engagierter Bürgerinnen und Bürger nur sehr schwer verständlich sind. Einerseits sollen die Rentenfinanzen durch die Anhebung des durchschnittlichen Renteneintrittsalters pro „neuem“ Jahrgang entlastet werden. Andererseits werden neue Hintertüren geöffnet, damit diese Änderungen für bestimmte Berechtigtenkreise nicht gelten. Eine für alle geltende, ausnahmefreie Lösung wäre besser: Renteneintritt mit einem bestimmten, noch festzulegenden Alter bei einer für alle geltenden Möglichkeit der Frühverrentung gegen Abschlag. Dies würde für mehr Planbarkeit sorgen und die Arbeitgeber würden nicht vor der plötzlichen Einführung von neuen Regeln stehen!

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