Gerade einmal drei Wochen hat es benötigt, um aus dem „freundschaftlichen“ Verhältnis zwischen Martin Winterkorn und seinem ehemaligen Mentor Ferdinand Piëch ein „zerrüttetes“ zu machen. Nach dem kurzen aber sehr heftigen Machtkampf um die Führung des Konzerns bleibt das Unternehmen VW angeschlagen zurück und sucht nach Wegen aus der Krise.
Die graue Eminenz im Hintergrund
Bei der Aktionärsversammlung Anfang Mai 2015 waren keine schlechten Worte über Piëch zu hören. Das liegt allerdings nicht nur an der langen Dauer an der Wolfsburger Spitze, sondern auch an anderen und etwas brisanteren Details. Denn mit dem Rücktritt aus dem Aufsichtsrat ist der „Alte“, wie Ferdinand Piëch intern genannt wurde, zwar in diesem Gremium entmachtet, aber eben noch lange nicht machtlos.
Denn mit ungefähr 13 Prozent der Aktien gilt er noch immer als Großaktionär und könnte mit seinem Anteil eine Menge bewirken – oder auch Schaden anrichten. So geht gerade unter Kleinaktionären die Angst um, Piëch könnte sein gesamtes Aktienpaket auf einmal auf den Markt bringen und dadurch den Kurs unter Druck setzen. Das ist aber noch lange nicht alles. Denn auch nach seinem Rückzug sitzt er immer noch im Aufsichtsrat von Porsche, das mit 51 % der größte Aktionär an VW ist.
Video: VW-Aufsichtsrat – PIECH erklärt Rücktritt
Es gibt viele offene Probleme
Eine schwache Rendite von gerade einmal 2 % noch vor dem Machtkampf im ersten Quartal 2015, Absatzprobleme in den USA und in Südamerika und eine sinkende Nachfrage im traditionell starken Chinageschäft – in den letzten Jahren haben sich bei VW viele Probleme entwickelt, von denen sich nur wenige kurzfristig lösen lassen. Und es war gerade Ferdinand Piëch, der in der Vergangenheit immer wieder auf diese Schwächen hingewiesen hat.
Trotz der unbestrittenen Erfolge von Martin Winterkorn, der den Absatz aller Fahrzeuge des Mutterkonzerns um zwei Drittel steigern konnte und die Anzahl der Angestellten beinahe verdoppelte. Ob er allerdings auch eine langfristige Strategie bieten kann, wird von manchen Beobachtern und offensichtlich ganz besonders von Piëch bezweifelt. Erst einmal beschränkt sich die Reaktion auf angekündigte Sparmaßnahmen in Höhe von 5 Milliarden Euro durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Tochterfirmen und die Ankündigung neuer Modelle für den US-amerikanischen Markt. Bis diese erhältlich sind, dürfte der aktuelle Boom bei Neuwagen allerdings schon vorbei sein.
Analysten sehen trotzdem gute Entwicklungschancen
Das Bild ist jedoch bei langem nicht so negativ, wie es zunächst einmal den Anschein haben könnte. Denn die Kernmarke VW trägt einen hohen Teil der Entwicklungskosten, von denen die Tochterunternehmen anschließend profitieren. Und auch in dem Umbau der Konzernspitze sehen Wirtschaftsexperten eine gute Gelegenheit, die für einen langfristigen Erfolg notwendigen Weichen zu stellen.
Ob allerdings die Berufung der beiden Nichten Piëchs in den Aufsichtsrat eine gute Wahl dafür war, ist umstritten. Denn es war ausgerechnet der Patriarch selbst, der mit Verweis auf deren mangelnde Erfahrung gegen die Entscheidung protestierte und stattdessen mit eigenen Kandidaten auftrat – und auch in diesem Punkt an der Einigkeit zwischen der Familie Porsche, dem Land Niedersachsen und dem Betriebsrat scheiterte. Insgesamt halten dennoch viele Analysten die Aktie selbst für unterbewertet und sehen den Konzern insgesamt gut aufgestellt.
Eine Phase der Konsolidierung ist wahrscheinlich
Nach dem raschen Wachstum wird sich Volkswagen auf einem hohen Niveau stabilisieren. Der Generationenwechsel im Aufsichtsrat kann dazu wichtige Impulse geben und ist trotz des Umbaus durchaus arbeitsfähig. Dieser wird im Allgemeinen als Chance und weniger als Risiko bewertet, auch wenn die Art des Rückzugs von Piëch von vielen Beobachtern ausdrücklich bedauert wird.
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