Die sich verdichtenden Gerüchte eines Kaufs von Opel durch den französischen Autohersteller überraschen die breite Öffentlichkeit, aber auch die Politik. In den Pressemeldungen des Autoherstellers gibt es seit einer Woche nichts Neues, es wird immer noch als aktuellste Meldung  das Richtfest eines neuen Logistikzentrums in Rüsselsheim  angezeigt. Angesichts dieses Handelns im Dunkeln sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Gewerkschaften alarmiert und skeptisch: Nicht ohne Grund, denn schon sehr schnell könnte Opel wieder in einen Krisenmodus zurückgeworfen werden.

Mögliche Motive des Kaufs von Opel durch PSA

Bei den meisten Kauftransaktionen von größeren Unternehmen stehen inzwischen neben dem Marktanteil die wirtschaftlichen Kennzahlen oder die Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Was mit dem vergleichsweise harmlos klingenden Wort „Synergieeffekt“ beschrieben wird, ist das Zusammenlegen betrieblicher Funktionen und angeblicher Doppelarbeiten meist in der Zentrale des Käufers.

Dadurch sollen die Gemeinkosten sinken und die Autos sollen zu wettbewerbsfähigeren Konditionen angeboten werden. Für Mitarbeiter in zentralen Bereichen wie Forschung, Entwicklung oder auch Verwaltung können die Folgen von Gehaltskürzungen, Reduzierung der Wochenarbeitszeit bis hin zu Entlassungen reichen.

Der Grundsatz dieses Unternehmenskaufes könnte lauten: Zwei nicht starke Unternehmen sparen gemeinsam Kosten, um einen stärkeren Marktauftritt realisieren zu können.

Die Krise von Opel kann Rüsselsheim beschädigen

Nach einer sehr langen Durststrecke konnte Opel Mitte letzten Jahres – wie u. a. die Fachpresse wie das Manager Magazin berichteten – erstmals seit über einem Jahrzehnt einen Gewinn ausweisen. Damit lohnten sich die Kraftanstrengungen der Belegschaft, der Opel-Händler und auch der Politik, die insbesondere den Standort Rüsselsheim stützten.

An diesem zentralen Standort sind etwa 15.000 Menschen bei Opel beschäftigt, was bedeutet: Das wirtschaftliche Schicksal von Opel ist für die gesamte Region entscheidend!

Bei einer Bevölkerungszahl der Stadt Rüsselsheim von knapp über 63.000 Menschen ist davon auszugehen, dass fast jede Familie von einer Abwanderung von Teilen der Funktionen des Unternehmens betroffen sein wird. Die wirtschaftlichen Kennzahlen von Opel sehen allerdings insbesondere im Vergleich zu den Premium-Herstellern wie BMW und Mercedes wesentlich schlechter aus.

Berater Tipp

Im vergleich zu den großen ist Opel eher schwach

In den kleineren Fahrzeugklassen lässt sich traditionell nur eine vergleichsweise geringe Rendite erwirtschaften- der oftmals geplante Einstieg in die höheren Fahrzeugklassen wie die Mittelklasse durch den Opel Insignia ist nicht wirklich erfolgreich gewesen.

Möglicherweise auch entscheidend im Bundestagswahlkampf

Aus heutiger Sicht gleicht die genaue Prognose, ob und wann es zu einem Opel-Verkauf kommen wird, leider einem Blick in die berühmte Glaskugel. Allerdings könnte der Opel-Verkauf – wenn sich die Transaktion länger hinzieht – durchaus auch einen wahlentscheidenden Einfluss auf die Bundestagswahl haben.

Der mögliche Verkauf dieses großen Unternehmens wird bei vielen politischen Lagern die alten wirtschaftspolitischen Reflexe auslösen. Folgende Kernfragen werden sicher aus dem jeweils eigenen Blickwinkel heraus und damit ganz unterschiedlich beleuchtet werden:

  • Wie weit darf die Politik in das Handeln freier Unternehmer eingreifen?
  • Muss oder darf es einen Rettungsschirm für Opel geben?
  • Wer zahlt die Ansiedlung von Unternehmen mit neuen Arbeitsplätzen?
  • Gibt es eine Einspruchsmöglichkeit der Landes- oder Bundesregierung beim Verkauf von Unternehmen ins Ausland?

Die berechtigten Irritationen könnten allerdings abgefedert werden durch einen umfangreichen Sozialplan oder auch Bekenntnisse zur Anzahl der zu erhaltenden Arbeitsplätze. Beim Sozialplan wäre in erster Linie der Betriebsrat in der Pflicht, bei der Frage des Erhalts der Arbeitsplätze könnten die bisher gezahlten Subventionen und eine etwaige Rückzahlbarkeit im Vordergrund stehen.

Video: Arbeitsministerin zur geplanten Opel Übernahme

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Der Verkauf kann durchaus auch die Architektur einer ganzen Region verändern

Sollte es wirklich zum Verkauf des Unternehmens und zur Streichung von etwa einem Drittel der Arbeitsplätze kommen, dann entsteht in Rüsselsheim ein neues Gebiet, in dem das Wohlstandsversprechen der Marktwirtschaft für einige Jahre nicht eingelöst werden kann.

Dies kann durchaus auch  zu Diskussionen über die Zukunftsbranchen oder auch die marktwirtschaftliche Ordnung insgesamt führen. Die Kernfragen lauten dann, ob und wie Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden können. Insbesondere auch ob die neue Logistik-Immobilie nach Fertigstellung voll weiter genutzt wird oder Unternehmen á la Amazon mit einer sehr niedrigen Lohnsumme pro Beschäftigtem und einem umstrittenen Image einziehen werden.

Vor einer ähnlichen Problematik standen zuletzt ja Anfang der 90er-Jahre einige Bundeswehr-Standorte, deren Funktionen nach der Wiedervereinigung verlegt wurden. Damals entbrannte eine ziemlich intensive „Konversions-Diskussion“.

Titelbild: ©istock.com – delectus