Seit einiger Zeit geistert das sogenannte „GREXIT“-Szenario nicht nur durch die Wirtschaftspresse, sondern ist in ganz unterschiedlichen Ausprägungen auch in den Fernsehnachrichten und auf der Titelseite großer Tageszeitungen zu finden. Dabei ist GREXIT nicht etwa das berühmte, niemals gesehene Monster von Loch Ness oder der Yeti, sondern eine Zusammensetzung aus GR(für Griechenland) und EXIT(=dem Austreten aus der Euro-Zone). Die Frage ob Griechenland aus dem EURO austreten muss, kann leider nicht eindeutig beantwortet werden. Dazu ziehen zu viele Personen und Interessen in unterschiedliche Richtungen.
Die mehrfachen Schuldenschnitte sprechen für einen Austritt
Erstaunlicherweise gleichen sich die Schlagzeilen der letzten Jahre – mit Ausnahme der genannten Beträge der griechischen Gesamtverschuldung – fast wie ein Ei dem Anderen. Immer wieder zweifeln die Märkte, ob Griechenland die Schulden überhaupt bedienen kann und immer weiter von Finanzspritzen aus dem Ausland abhängig sein wird. Neben der exorbitant hohen Staatsverschuldung, die weit oberhalb der Maastricht-Kriterien liegt, sorgt die Arbeitslosenquote für Irritationen.
Die Statistikbehörden nennen für das vierte Quartal 2014 eine Arbeitslosenquote von mehr als 26% bei einem gleichzeitig sinkenden Bruttosozialprodukt. Dies bedeutet, dass die bisherigen Maßnahmen wie der „freiwillige“ Verzicht der Gläubiger auf eine vollständige Rückzahlung der Staatsanleihen sowie die Verschiebung der Tilgungsleistungen um mehrere Jahre nicht den gewünschten Effekt gebracht haben.
Stattdessen wird eine radikale Maßnahme gesucht, die griechische Exporte verbilligen könnte – so dass die lokale Wirtschaft Fahrt aufnehmen kann. In der Volkswirtschaftslehre wird als geeignetste Maßnahme unisono eine Währungsabwertung genannt. Dies geht aber nur, wenn das Land über eine eigene Währung verfügt.
Video: Griechenland vor dem Euro-Aus?
Viele EURO-Staaten befürchten die Austritts-Diskussion
Allerdings gibt es auch eine massive Gegenbewegung gegen einen möglichen Austritt Griechenlands. Hierfür wird das juristische Argument ins Feld geführt, dass ein einseitig erklärter Austritt Griechenlands oder gar ein „Rauswurf“ durch die EU-Kommission gar nicht möglich wäre. Dieses Argument versuchen viele aber dadurch zu entkräften, dass der Verbleib in der EURO-Zone rechtswidrig wäre.
Der Münchner Anwalt und Ex-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler verwies auf die europäischen Verträge, die eben eine Haftungsunion nicht vorsehen würde. Langjährige Betrachter wissen allerdings, dass es nur sehr wenige „Nettozahler“ in die EU gibt. Insbesondere die von Bundeskanzler Schröder propagierte Osterweiterung der EU hat 15 weitere Länder in die EU gebracht, die noch lange Zeit brauchen, um auf ein durchschnittliches Bruttosozialprodukt zu kommen. Diese „Empfängerländer“ der EU werden alles daran setzen, dass die Austritts-Diskussion möglichst lange verzögert wird.
Die „Alternativlosigkeit“ der Politik der Bundeskanzlerin auf dem Prüfstand
Ein weiteres, innenpolitisches Argument verhindert einen zu schnellen und plötzlichen Austritt Griechenlands aus der EU. Die Bundesregierung von Angela Merkel hat sich sowohl in ihrer Form als „Große Koalition“, als auch als CDU/CSU-geführte Regierung mit der FDP eindeutig als Europapartei positioniert. Angela Merkel zieht ihre Beliebtheit im Wesentlichen aus der Krisenlösungs-Kompetenz und als europäische Regierungschefin.
Den meisten Wählerinnen und Wählern werden wenig innenpolitische Themen einfallen, mit denen die Regierung punkten kann. Stattdessen stöhnt der Mittelstand über viele neue bürokratische Regelungen beginnend bei Richtlinien zur Kennzeichnung von Produkten (bis zu den Inhaltsstoffen bei Lebensmitteln) über Zulassungshürden, die neuerdings eingeführte Befristung aller Führerscheine bis hin zu großflächig drohenden Produktverboten „ungesunder“ Produkte.
Diese Politik wird solange akzeptiert, so lange diese als „alternativlos“ gilt. Tritt aber Griechenland aus der EU aus, dann wird den meisten klar: Europäische Integration ist kein Automatismus, die Einbahnstraße muss nicht zwingend in eine Europäische Union führen. Deshalb wird die Bundesregierung ihrerseits alles daran setzen, dass die europäische Union keine Austrittsszenarien kennt.
Die genaue Beantwortung der Frage ist Milliarden wert
Leider kann unsere Redaktion die Frage nicht eindeutig beantworten, ob Griechenland wirklich aus dem EURO heraus muss oder ob Europa eine Möglichkeit findet, Griechenland in der Union zu behalten. Der logische Sachverstand sagt zwar, dass ein Austritt und ein neuer Anfang eine einzigartige Chance für Griechenland und Kerneuropa sein können, alles neu zu denken. Allerdings wird wahrscheinlich die Trägheit der Institutionen dazu führen, dass diese Frage sich noch einige Zeit lang hinschleppen wird.
An den Devisenmärkten ist die tages- oder noch besser stundengenaue Beantwortung dieser Frage Milliarden wert: Sie wird Einfluß auf alle großen Währungen haben, mit den entsprechenden kurzfristigen Spekulationsinstrumenten lassen sich Milliarden verdienen.
Vielleicht verliert die Frage aber nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens zwischen den USA und den europäischen Staaten an Bedeutung, weil die Wirtschaft so viel Fahrt aufnimmt, dass die strukturellen Fragen und Defizite Griechenlands weniger Beachtung finden. Vielleicht gibt es auch eine Neudefinition der EU als Staatenbund mit einigen Staaten mit Einheitswährung und einigen mit frei konvertierbaren und im Wert schwankenden Heimatwährungen.
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Titelbild: ©iStock.com/3quarks
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