Es ist nicht einfach im VW-Abgasbetrugsskandal den Überblick zu behalten: Zuerst wurden die Autofahrer lange im Unklaren gelassen, welche Dieselmotoren überhaupt betroffen sind. Dann erfolgte die Aufklärung nur scheibchenweise. Auf den ersten Blick wird einzig und alleine klar: Benzinmotoren sind nicht betroffen, bei Dieselmotoren fuhr VW lange Zeit lang eine Besänftigungsstrategie. Deshalb stauen sich auch jede Menge Vorwürfe auf: Es geht nicht um einen einmaligen Fehltritt, sondern ein strukturiertes Vergehen. Unser Artikel kann einen kleinen Überblick über die Baustellen in der Abgasaffäre geben.

1. Vorwurf: Betrug bei den Angaben zur Abgasreinigung AdBlue

In vielen Diesel-PKWs von Volkswagen ist ein Abgasreinigungssystem eingebaut, welches gegenüber der klassischen Abgasreinigung mit einem vergleichsweise teuren Katalysator einen Nachteil hat: Um die Abgaswerte zu erreichen wird aus einem Zusatztank Harnstoff eingesprüh, um die Stickoxide in wesetntlich weniger gifte Abgase umzuwandeln. Das Ergebnis dieser Abgasreinigung ist eine bessere Einstufung bei der Kraftfahrzeugsteuer und auch die Erteilung einer Umweltplakette. Noch ist nicht ganz klar, wann sich AdBlue einschaltet und wann nicht. Allerdings scheint es aus heutiger Sicht so zu sein, dass neben der Motorsteuerung auch noch AdBlue verändert wird. In den Bedienungsanleitungen wird deshalb auch eine falsche „Reichweite“ des Adblue angegeben, der Kunde muss öfter zum Nachfüllen. Wer dies nicht selbst erledigen möchte, der hat erhöhte Werkstattkosten zu tragen.

Video: Milliardenklage: Hat VW Investoren zu spät informiert?

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2. Vorwurf: Nur durch die Motorsteuerung werden kurzfristig die Grenzwerte eingehalten

Der Kernvorwurf bei der VW-Abgasaffäre lautet, dass alle betroffenen Dieselmotoren die angebenenen Emissionswerte im täglichen Betrieb gar nicht einhalten würden. Die Motorsteuerungssoftware würde erkennen, ob sich das Auto in einem genormten Testzyklus befindet – also auf dem Prüfstand fährt und sich gar nicht wirklich bewegt. Damit hätte sich VW nicht nur die Typgenehmigung des jeweiligen Fahrzeuges erschlichen, sondern Millionen Fahrzeuge bewusst auf den Markt gebracht und den Kunden mit falschen Angaben zu Emissionen und evtl. Verbrauch und Leistung verkauft. Damit kann es durchaus Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen geben. Je nachdem, wann die Fahrzeuge gekauft wurden und ob das Unternehmen oder nur einige wenige Mitarbeiter Bescheid wussten. Es geht also auch um die Frage der Schuld einzelner Mitarbeiter oder Abteilungen oder ob tatsächlich ein Organisationsversagen vorliegt.

3. Vorwurf: Vernachlassigung von Informationspflichten

Ein dritter Vorwurf wurde insbesondere von institutionellen Investoren im Rahmen der Aufklärung der Vorgänge erhoben: Die Mitarbeit von Volkswagen würde nicht ausreichen. Anstatt eine lückenlose Aufklärung voranzutreiben hätte die Unternehmensleitung schon lange (vielleicht seit 2014?) davon gewusst. Damit beschreitet VW keinen Pfad der „tätigen Reue“ oder „Mithilfe bei der Aufklärung“. Die aktuelle Milliardenklage einiger Investmentfonds beruht dabei an strikten, gesetzlichen Regelungen zur Information über wesentliche Ereignisse bei börsennotierten Gesellschaften.

Berater Tipp
Um Insiderhandel zu vermeiden und allen Anlegern eine gleiche Startposition zu ermöglichen muss das Unternehmen diese Ereignisse zeitgleich und unverzüglich kommunizieren. Dies wäre lt. Angabe der Kläger nicht geschehen, weshalb sie die Volkswagen Aktie nicht rechtzeitig verkaufen konnten. Einen Teil des erlittenen Kursverlustes möchten die Kläger deshalb geltend machen.

Explosive Gemengelage für Volkswagen

In der Zusammenfassung kann man sagen, dass Volkswagen von einem der angesehensten Autobauer zu einem Unternehmen geworden ist, welches sich vielfach Fehlverhalten nachsagen lassen muss und welches an vielen juristischen Baustellen gleichzeitig arbeiten muss. Neben den hohen Kosten für die Aufräumarbeiten dieses Skandals bleibt ein ungewisser Blick in die Zukunft: Werden die Menschen insbesondere die großen, gewinnbringenden Dieselmotoren bei VW noch kaufen oder auf kleinere Modelle umsteigen. Oder ganz abwandern? Die aktuellen Zulassungszahlen von Volkswagen in vielen Märkten sehen nicht sehr vielversprechend aus. Deshalb ist es noch vollständig unklar, welche Spuren die Betrugsaffäre in der Bilanz von VW hinterlassen wird.

 

Titelbild: © istockphoto.com – tstajduhar