Am 12. Mai 2017 brachte die Bundesregierung ein neues Gesetz auf den Weg. Es trägt den Namen „Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie“, kurz „Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz“. Wer immer sich den Namen ausgedacht hat – die wichtigsten Informationen haben wir für Sie zusammengefasst. 

Was steckt hinter dem neuen Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz?

Gegenstand des Gesetzentwurfes sind vier Dinge:

  • Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie soll in einigen Punkten entschärft werden.
  • Die BaFin soll Handlungsspielräume im Fall einer Überhitzung des Immobilienmarktes erhalten.
  • Neue Regelung bei Umkehrhypotheken
  • Mehr Transparenz bei Vorfälligkeitsentschädigungen

Die Wohnimmobilienkreditrichtlinie – Korrekturen waren überfällig

Die im März 2016 in Kraft getretene Wohnimmobilienkreditrichtlinie hätte, konsequent zu Ende gedacht, Baufinanzierungen in den meisten Fällen unmöglich gemacht. Im Rahmen der Umsetzung einer EU-Richtlinie wurde die Bonitätsprüfung neu ausgerichtet.

Dreh- und Angelpunkt war die Betrachtung, dass der Darlehensnehmer das Darlehen ordnungsgemäß zurückführen kann – im Rahmen seiner statistischen Lebenserwartung. Junge Familien und ältere Darlehensnehmer waren die Hauptleidtragenden der Richtlinie. Junge Familien deswegen, weil eine Scheidung nicht auszuschließen ist und die Unterhaltszahlungen die Rückführung des Kredites gefährden könnten. Ältere Darlehensnehmer, weil sie eventuell noch während der Laufzeit des Darlehens versterben könnten. Der Wert der Immobilie wurde dabei völlig außen vor gelassen. Die Bonitätsprüfung hatte mehr etwas mit einer Kristallkugel zu tun als mit der Analyse der jetzigen Gegebenheiten der Antragsteller.

Auf ältere Darlehensnehmer kam das Risiko zu, dass eine Anschlussfinanzierung verweigert werden könnte, sie damit ihr Dach über dem Kopf verloren hätten. Die Regierung hatte endlich erkannt, dass dieser Sachverhalt untragbar war und die Richtlinie dahin gehend abgeändert, dass bereits laufende Finanzierungen von den restriktiven Prüfungen künftig ausgenommen bleiben.

Die strenge Beurteilung der Zukunft junger Familien konterkarierte die staatlichen Fördermaßnahmen hinsichtlich der Schaffung von Immobilieneigentum gerade für diese Zielgruppe. Auch in diesem Fall wird künftig wieder auf den Ist-Zustand abgestellt, nicht auf Hypothesen, welche die Zukunft betreffen.

Das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz: Alleine der Name füllt den Leser schon mit Schrecken. Das Gesetz als solches bietet dagegen einige Neuerungen, die sich im Zweifelsfall auszahlen könnten. Dabei geht es nicht darum, dass ab Verabschiedung alles anders wird, es räumt der BaFin lediglich die Option ein, an bestimmten Stellschrauben bei der Vergabe von Baudarlehen zu drehen.

Berater Tipp

Hintergrund der Neuerungen

Hintergrund ist folgender Sachverhalt: 66 Prozent des Vermögens deutscher Haushalte stecken in Immobilien. Davon sind wiederum 70 Prozent fremdfinanziert. Die Immobiliennachfrage steigt nach wie vor. Damit steigt in den Augen der Regierung auch die Nachfrage nach Baufinanzierungen und damit das Risiko von Kreditausfällen. Die Bauwirtschaft gilt als einer der Motoren der deutschen Konjunktur. Durch die enge Verzahnung mit den Banken, bedingt durch die Baukredite, liegt hier ein systemisches Risiko. Dieses besteht darin, dass eine Bank aufgrund zu vieler notleidender Hypothekenkredite in Schieflage geraten könnte.

Die neuen Handlungsmöglichkeiten der BaFin

Deutet sich an, dass sich der Immobilienmarkt überhitzt, stehen der BaFin nun Mittel zur Verfügung, hier mäßigend einzuwirken und Banken, aber auch das „System“, vor daraus resultierenden möglichen Insolvenzen zu schützen:

1. Der Beleihungsauslauf

Es galt einmal die goldene Regel, dass der Käufer einer Immobilie mindestens 20 Prozent des Kaufpreises zuzüglich der Erwerbsnebenkosten aus eigenen Mitteln bestreiten sollte. Diese Regel weichte im Laufe der Jahre immer mehr auf, 100-Prozent-Finanzierungen, auch bei selbst genutzten Immobilien wurden häufiger.

Künftig kann die BaFin, bei „Gefahr im Verzug“, eine Beleihungsobergrenze festlegen, bis zu der Banken maximal eine Immobilie finanzieren dürfen (Kreditvolumen-Immobilienwert-Relation). Bei welchem Prozentsatz diese Grenze dann greift, liegt im Ermessen der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen.

2. Ratio Rate zu Nettoeinkommen

Eine andere Option, korrigierend in die Hypothekenvergabe durch die Kreditinstitute einzugreifen, bietet die Relation zwischen Rate und Nettoeinkommen. Zeichnet sich ein kritischer Zustand am Horizont ab, kann die Frankfurter Behörde vorgeben, wie hoch das Volumen aller Darlehensraten eines Haushalts im Verhältnis zum Nettoeinkommen ausfallen darf. Mit dieser Maßnahme würde sichergestellt, dass ein Kreditnehmer auch bei steigenden Zinsen noch Spielraum hat, um auch diese tragen zu können.

3. Die Amortisationsanforderung

Das dritte korrigierende Instrument ist die Anforderung an die Amortisation der finanzierten Immobilie. Das bedeutet, dass ein Teil der Finanzierung innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums getilgt sein muss. Der Vorteil liegt darin, dass die Bank das Kreditausfallrisiko für den jeweiligen Zeitraum der Amortisationsphase genau kalkulieren kann. Für endfällige Darlehen würde ein Termin vorgegeben werden, bis wann das Darlehen zurückgeführt sein muss.

4. KfW Darlehen ebenfalls ausgenommen

Der Gesetzgeber sieht bei der Beurteilung der Bonität und den Handlungsoptionen der BaFin ebenfalls eine Ausnahme bei Darlehen durch öffentlich-rechtliche Förderbanken. Diese seien gezielt für die Wohnraumförderung vorgesehen und müssen daher auch Abweichungen zu der jetzt gängigen Praxis zulassen. Gerade auch Beziehern von niedrigen Einkommen soll durch flexible Laufzeiten und Tilgungsfreiheit zu Beginn des Immobilienerwerbs ermöglicht werden.

5. Stundungen auch künftig eine Option

Ein wichtiger Aspekt im Umgang mit notleidenden Krediten ist die Stundung. Banken sind im Grundsatz keine Immobilienverwerter und suchen daher nach Lösungen, deuten sich Zahlungsprobleme bei einem Darlehensnehmer an. Zu den in diesem Fall üblichen Mitteln zählen

  • Die Stundung
  • Die Tilgungsaussetzung
  • Umschuldung mit verlängerter Darlehenslaufzeit, um die Rate zu senken.

Diese drei Möglichkeiten sind auch weiterhin zulässig, auch wenn dann gegebenenfalls die Amortisationsanforderungen neu definiert werden müssen.

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Wann kann die BaFin zu diesen Mitteln greifen?

Die BaFin kann diese Mittel zur Dämpfung der Nachfrage bei Immobilienkrediten nicht willkürlich einsetzen. Der Umsetzung muss eine Anhörung der Spitzenverbände der Wirtschaft vorausgehen. Diese kann als notwendig erscheinen, wenn es Anzeichen von Störungen des deutschen Finanzsystems gibt. Anlass kann auch eine Gefährdung der Finanzstabilität sein.

Wie steht es mit der Haftung der Kreditinstitute?

Angenommen, eine Bank verstößt bei der Vergabe eines Darlehens gegen die oben genannten Auflagen, aber der Darlehensnehmer bedient die Baufinanzierung ohne Auffälligkeiten. Das Institut wäre dennoch in der Haftung. Hier bestand jedoch eine Rechtsunsicherheit bezüglich der Dauer der Haftung für die Bank. Im Rahmen des neuen Gesetzes wurde die Haftungsdauer auf zehn Jahre beschränkt, da bei längerlaufenden Darlehen der Kredit zum Ende des zehnten Jahres gekündigt werden kann.

Hintergrund dieses Gesetzes ist nicht, wie auf den ersten Blick zu vermuten, der reine Schutz der Banken vor wackeligen Krediten. Es geht vielmehr um eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung. Ein Anstieg fauler Kredite belastet nicht nur die Kreditinstitute. Darlehensnehmer, welche in die Zwangsvollstreckung gehen, fallen künftig weitgehend als Konsumenten weg. Dies bedeutet einen Nachfragerückgang nach Gütern, einem Minus bei der Produktion, einer Freistellung von Arbeitskräften, daraus resultierend einem weiteren Nachfragerückgang, ein Teufelskreis. Die Folgen einer Häufung nicht rückgezahlter Immobilienkrediten lassen sich in den USA oder in Spanien beobachten.

Neue Regelungen bei Immobilienverzehrkrediten

Der Terminus „Immobilienverzehrkredit“ ersetzt den alten Begriff der „Umkehrhypothek“. Umkehrhypotheken oder, neu, Immobilienverzehrkredite, funktionieren folgendermaßen:

Die Bank beleiht eine schuldenfreie Immobilie und zahlt dem Darlehensnehmer die Hypothek unter Abzug der künftig fälligen Schuldzinsen aus. Mit dem Tod des Darlehensnehmers geht die Immobilie in das Eigentum der Bank über. Bislang war dieses Modell in Deutschland kaum verbreitet, die rechtlichen Regelungen, ob es sich um eine Baufinanzierung oder einen Verbraucherkredit handelte, schwammig. Da der Gesetzgeber auf der Grundlage der demografischen Entwicklung davon ausgeht, dass dieses Hypothekenkonstrukt in Deutschland künftig deutlich mehr Nutzer findet, wurden die gesetzlichen Grundlagen dafür aus den Verbraucherkreditrichtlinien herausgenommen.

Vorfälligkeitsentschädigungen werden transparenter

Immer wieder beklagten Verbraucherschützer und Verbraucherzentralen die mangelnde Transparenz und fehlerhafte Berechnung bei Vorfälligkeitsentschädigungen. Mit der Gesetzesnovelle sind die Banken nun gefordert:

  • Alle Faktoren, die sich positiv für den Kreditnehmer, beispielsweise optionale Sondertilgungen, auswirken, zu berücksichtigen.
  • Den Nachweis des Zinsverschlechterungsschadens zu erbringen.
  • Den genauen Zeitpunkt der Schadensermittlung anzugeben.
  • Die angewendete Berechnungsmethode zu benennen.

Berater Tipp

Die Folgen des neuen Gesetzes

Betrachtet man nur die Punkte, welche die Handlungsoptionen der BaFin bei negativen Signalen betreffen, passiert erst einmal nichts. In diesem Fall hat das neue Gesetz rein präventiven Charakter.

Anders verhält es sich bei

  • Den Änderungen bei der Wohnimmobilienkreditrichtlinie
  • Immobilienverzehrkrediten
  • Vorfälligkeitsentschädigungen

Hier wirkt sich das neue Gesetz mit Verabschiedung von Beginn an positiv für Darlehensnehmer aus.

 

Titelbild: ©istock – Bet_Noire