In vielen Ländern Europas wie etwa Frankreich, Italien, Spanien oder Portugal gehören private Autobahnen fest zum Verkehrsnetz. Manche von ihnen haben bereits vor über zehn Jahren ihre Betreibergesellschaft veräußert. Die Bundesregierung und besonders Finanzminister Schäuble scheinen nun auch in Deutschland mit der Autobahn-Privatisierung zu liebäugeln. Die Folgen für die Autofahrer könnten teuer werden.

Vorbild Ausland – die Privatisierung öffentlicher Straßen

Am weitesten ist die Autobahn-Privatisierung in Italien und Frankreich fortgeschritten. Letzteres hat bereits 2005 seine drei Betreibergesellschaften vollständig verkauft. In Italien sind mittlerweile mehr als 85 % der Autobahnen in privater Hand. Es handelt sich bei allen Modellen allerdings nicht um einen dauerhaften Verkauf. In einem Bieter-Wettbewerb werden zeitlich begrenzte Pachtverträge vergeben.

Die Gewinner erhalten das Recht, eine Maut auf den entsprechenden Streckenabschnitten zu erheben und dadurch Einnahmen zu erzielen. Im Gegenzug verpflichten sie sich, diese in einem guten Zustand zu erhalten. Es werden also auch die Investitionen privatisiert – mit Sicherheit einer der Gründe, warum Finanzminister Wolfgang Schäuble nach Presseberichten bereits seit mindestens zwei Jahren die Autobahn-Privatisierung vorbereitet.

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Selbstverständlich sind die Betreiber in erster Linie daran interessiert, Gewinne mit ihren Streckenabschnitten zu erzielen. Dies geht selbstverständlich nur, falls auf ihnen Gebühren erhoben werden. Es steht noch lange nicht fest, welches Modell die Bundesregierung dafür anstrebt. In Italien und Portugal können die Gesellschaften ihre Maut innerhalb eines gesetzlichen Rahmens selbst festlegen.

Die LKW-Maut in Deutschland verfolgt jedoch ein anderes Konzept. Im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft erhalten private Konzessionäre eine und werden je nach Länge ihres Streckenabschnitts prozentual an den Einnahmen der Maut beteiligt. Sie besitzen dadurch:

  • keinen direkten Einfluss auf die Höhe der Gebühren
  • und können diese auch nicht als Instrument verwenden, um die Auslastung der Autobahn effizient zu steuern.

Verfolgt die Bundesregierung geheime Ziele?

Nach der LKW-Maut wurde ebenfalls die Einführung einer PKW-Maut beschlossen und ist Teil des Koalitionsvertrages. Mit seinem Modell einer gleichzeitigen finanziellen Entlastung deutscher Autofahrer ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt allerdings weitgehend gescheitert. Bietet die Autobahn-Privatisierung deshalb eine Möglichkeit, die Maut quasi durch die Hintertür rechtssicher einzuführen? In jedem Fall könnte die Bundesregierung sich auf diese Weise weitgehend von der juristischen und politischen Verantwortung befreien.

Berater Tipp

Maut für freie Straßen:

Vieles spricht dafür, ein anderes Konzept als bei der LKW-Maut zu verwenden. Flexible Gebühren etwa mit hohen Preisen zu Spitzenzeiten können helfen, Staus zu vermeiden und die Auslastung zu entzerren.

Juristische Einwände aus Brüssel würden effektiv abgewehrt werden. Und für die Betreiber sind Autobahnen natürlich attraktiver, wenn sie die Gebühren selbst festlegen dürfen.

Video: Langfristige Investitionen? – Privatisierung!

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Die Kritik an dem Projekt Privatisierung wächst

Die Veröffentlichung der Pläne hat für eine Welle der Empörung gesorgt. Zu den prominentesten Kritikern gehört nicht allein die Opposition, sondern auch mächtige Lobbyverbände wie der ADAC und öffentliche Behörden wie der Bundesrechnungshof. Sie bemängeln, dass der hohe bürokratische Aufwand einen großen Teil der Einnahmen verschlingen würde und verweisen auf Erfahrungen mit der LKW-Maut.

Außerdem würden private Betreiber nur die lukrativen Strecken auswählen – der Bund bliebe auf riskanten und weniger attraktiven Teilstücken sitzen und müsste diese weiterhin vollständig alleine finanzieren. Einhellig begrüßt wurde die Autobahn-Privatisierung lediglich von der Versicherungswirtschaft: Sie könnte die Autobahnen angesichts der niedrigen Zinsen als langfristige und gewinnbringende Investitionen nutzen.

Titelbild: ©istock.com – TomasSereda