Volkswagen steckt gerade mitten in der Affäre um gefälschte Abgaswerte, als der Konzern durch die nächste Krise überrascht wird. Völlig unvorbereitet muss das Unternehmen die Produktion seiner wichtigsten Automodelle einstellen, weil Teile für den Zusammenbau fehlen. Der Streik der Zulieferer hat die Machtverhältnisse im Automobilbau gründlich durcheinandergewirbelt – welche Lehren können aus den Ereignissen gezogen werden?

David gegen Goliath – die Abhängigkeit in der Automobilindustrie

Es scheint auf den ersten Blick paradox, dass ein vergleichsweise kleines Unternehmen einen Weltkonzern so stark beeinflussen kann, dass dieser sogar die Produktion einstellen muss. Aber hinter der Macht der Zulieferer steht ein seit den 70er Jahren vorherrschendes System, das international von den japanischen Produzenten übernommen wurde.

Diese führten als erste die Just-in-Time-Produktion ein, bei der Teile erst dann geliefert werden, wenn diese auch für die Produktion benötigt werden. Dieses Vorgehen hat große Vorteile – niedrige Lagerkosten, eine flexible Reaktion auf Marktentwicklungen oder größere Auswahl bei der Ausstattung.

Aber dafür benötigt sie auch eine gut koordinierte Logistik und einen steten Nachschub. Risiken werden zu einem guten Teil auf den Zulieferbetrieb umgelagert – und genau dieser Punkt scheint VW in diesem Fall zum Verhängnis geworden.

Fehlende Absicherung hat die Krise ausgelöst

Für einen Großkonzern wie VW hat die enge Bindung an einen Zulieferer direkte Vorteile. Je höher die Stückzahlen und das Auftragsvolumen sind, desto niedriger sinken die Kosten. Eine größere Verteilung hingegen bedeutet nicht nur einen höheren Verwaltungsaufwand und eine umfangreichere Logistik, sondern erhöht auch den Preis pro Einheit.

Insofern ist die einseitige Ausrichtung auf ein einzelnes Unternehmen ökonomisch sinnvoll und verständlich, solange die Kooperation reibungslos verläuft. Gerade VW ist jedoch auch bekannt dafür, seinen Subunternehmen harsche Bedingungen zu diktieren und dank seiner Marktmacht eigene Interessen in den Vordergrund zu stellen. Dies führt naturgemäß zu Konflikten mit den Partnern, die im Zweifelsfall dann auch mit extremen Gegenmaßnahmen reagieren können.

Video: Streit mit Zulieferern: VW-Golf-Produktion steht still (ZIB 17:00 vom Fr, 19.08.2016)

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Welche Schritte können ähnliche Ereignisse verhindern?

Der durch den Produktionsstopp verursachte Schaden übersteigt die Kosten für eventuelle Zugeständnisse im Vorfeld deutlich. Eine höhere Kulanz und eine einvernehmliche Einigung hätte in diesem Fall einen hohen Aufwand und einen Imageverlust vermieden.

Entscheidend ist in dem aktuellen Konflikt jedoch eher, dass VW sich im Gegensatz zu anderen Herstellern ausschließlich auf einen einzigen Zulieferbetrieb verlassen hat. Erst dadurch hat das Unternehmen ermöglicht, dass ein einzelner Subunternehmer einen derartig großen Druck aufbauen konnte, um Zugeständnisse zu erzwingen.

Gleichzeitig bedeutet es zudem, dass der Konzern in seinem eigenen Interesse die Existenz seines einzigen Lieferbetriebs kurz- und mittelfristig sichern muss. Externe Fehlkalkulationen oder Ausfälle könnten ansonsten die eigene Produktion beeinträchtigen, ohne dass VW selbst eine Möglichkeit zum Eingreifen geboten wird.

Berater Tipp

Die Strukturen müssen permanent angepasst werden

Es ist sicher, dass VW angesichts der Ereignisse seine Unternehmensstruktur und seine Auftragsvergabe neu überarbeiten und anpassen wird. Angesichts der hohen Anzahl von Einzelteilen könnte es jedoch sehr schwierig werden, die Abhängigkeiten von diversen Zulieferbetrieben vollständig aufzulösen.

Eine weitere Möglichkeit besteht deshalb darin, parallel die Produktion derart anzupassen, dass bei Ausfällen auf andere Prozesse ausgewichen werden kann. Intelligente Verfahren erlauben es, für begrenzte Zeit auf andere Fertigungswege umzustellen und die Montage spezieller Teile entlang der Fertigungskette zu verlagern. Dadurch können zumindest kurzfristige Engpässe flexibel ausgeglichen werden.

Titelbild: © istock.com –  josefkubes