Auf dem Arbeitsmarkt wirken zwei Belastungsfaktoren, die die Suche nach qualifizierten und motivierten Mitarbeitern erschweren: Einerseits gibt es angesichts der Wiedereinführung eines früheren Renteneintrittsalters eine langwierige Diskussion um Frühverrentung. Andererseits bilden nunmehr die geburtenschwachen Jahrgänge die Mehrzahl der Bewerber, weshalb die Unternehmen bei der Auswahl nach Talenten nicht mehr uneingeschränkt aus dem Vollen schöpfen können.

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Vom Bewerberüberschuss zum Bewerbermangel

Noch vor kurzem stellten die Unternehmen enorme Ansprüche an die Neueinstellungen. Viele Ausbildungsberufe, die früher mit mittlerer Reife zugänglich waren, wurden ausschließlich an Abiturienten vergeben. Da die Auswahl der Bewerber um Lehrstellen oder einen Arbeitsplatz sehr groß war wurden die Anforderungen entsprechend in die Höhe geschraubt.

Inzwischen ist aber eine Wende eingetreten, da der Anteil der Studierenden steigt und der Bedarf an Nachwuchskräften nicht mehr gedeckt werden kann. Die Marktkräfte zwingen die Unternehmen nunmehr dazu über verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität nachzudenken: Dies beginnt bei der rechtzeitigen Ansprache von möglichen Kandidaten und setzt sich mit einer besseren Ausbildungsqualität beispielsweise in eigenen Werkstätten fort.

Unternehmen steigen vom hohen Ross und umwerben Auszubildende

Insbesondere im Mittelstand war bis vor einigen Jahren eine Mentalität sehr weit verbreitet, die sich unter „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ zusammenfassen ließ. Obwohl die Lehrlinge außerhalb der Berufsschultage schon richtig mit anpackten, wurden sie oftmals sehr herablassend behandelt.

Dies führte zu einem Nachwuchsmangel in vielen Branchen, in denen entweder frühmorgens oder auch am Wochenende gearbeitet wird. Inzwischen steuern die Unternehmen gegen viele Facetten des überkommenen Images an. Insbesondere nehmen sie die – zum Glück oftmals unberechtigte – Sorge der Auszubildenden auf nur ausgebildet und später nicht übernommen zu werden.

Der Einzelhändler REWE gab bereits im Jahr 2012 als Gegenmaßnahme zum Fachkräftemangel eine Übernahmegarantie für alle Auszubildenden, die die Prüfung bestehen. Und zwar unbefristet!

Video: ARD report aus München: Die Legende vom Fachkräftemangel

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Von der Gewinnorientierung zur „Corporate Social Responsibility“

Die Unternehmen ergreifen weitere Maßnahmen, die dem Fachkräftemangel entgegenwirken: Immer öfter werden Begriffe wie eine Work-Life Balance oder auch Corporate Social Responsibility genannt. Bei der Work-Life Balance geht es darum in den Unternehmen eben nicht mehr kurzfristig die Gewinne zu maximieren und die Ressourcen des Unternehmens (inklusive der Belegschaft) möglichst effektiv zu nutzen.

Stattdessen bietet der Arbeitgeber umfangreiche Sozialleistungen und auch Wahlmöglichkeiten an, die die Zufriedenheit und Motivation der Arbeitnehmer erhöhen. Der Kerngedanke ist die Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen zu erhöhen und damit letztendlich für alle Altersgruppen attraktiv zu werden.

Viele Unternehmen werden sich auch zunehmend bewusst, dass insbesondere motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter mehr als nur einen Platz zum Arbeiten und Geld verdienen suchen. Sie geben der Arbeit einen noch höheren Sinn dadurch, dass sie den Wert des Unternehmens für die Region und die Menschen kommunizieren und sich in die Gesellschaft einbringen.

Damit haben sie gerade beim Wettbewerb um Tarifangestellte die Nase vorn. Aber auch bei Mathematikern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, die heute die Patente von morgen entwickeln.

Berater Tipp

Auszubildende und Mitarbeiter können eine neue Stärkeidentität entwickeln

Der Fachkräftemangel hat eine weitere, indirekte Auswirkung auch auf die Hierarchieebenen und das gesamte Miteinander in den Unternehmen: Wer kreative Köpfe an sich binden und mit ihnen zusammen die Zukunft gestalten möchte, der wird um eine Entwicklung einer modernen Unternehmenskultur nicht vorbei kommen.
Diese sollte einen sehr guten Kompromiss bieten zwischen den Anforderungen des Unternehmens und den berechtigten Wünschen der Belegschaft. Dann können die Unternehmen gemeinsam einen frischen Schwung holen und zusammen mit den Mitarbeitern eine gemeinsame Stärkeidentität entwickeln.

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