Zehntausende junge Menschen gehen derzeit in den USA auf die Straße, um nach einem weiteren Amoklauf an einer Schule für strengere Waffengesetze zu demonstrieren. Was wollen sie erreichen? Wie viel Rückhalt gibt es in der restlichen Bevölkerung? Und können die Waffengesetze in den USA überhaupt verändert werden?
Fakten zur Waffengewalt im Überblick
Rund 33.000 Menschen sterben jedes Jahr in den Vereinigten Staaten an Verletzungen durch Schusswaffen. Bei ganzen zwei Drittel davon handelt es sich jedoch um Selbstmorde, die für die Kriminalstatistik nicht relevant sind. Nur rund 1,5 % aller Toten entstehen durch sogenannte Mass Shootings, wie die Attentate von Las Vegas, Parkland oder den Terroranschlag auf einen Club in Orlando. Beim großen Rest des Schusswaffengebrauchs mit Todesfolge handelt es sich großteils um Schießereien im kriminellen Gang-Milieu und Gewalt innerhalb der Familie.
Aufgrund der Reichweite, menschlichen Tragik und nicht zuletzt den Medien bestimmen aber die im Vergleich noch immer seltenen Mass Shootings die Diskussion rund um strengere Waffengesetze in den USA. Die zwei Fronten sind dabei verhärtet. Das Recht auf Waffen ist in den USA nämlich nicht nur irgendein Gesetz, sondern Teil der Verfassung und damit vielen Amerikanern heilig.
Der zweite Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung
Das Verhältnis der Amerikaner zu ihrer Verfassung ist auf der Welt wohl einmalig. Sie enthält Rechte, für die noch immer Millionen Menschen den Schritt zur Auswanderung in die USA wagen. Darunter fallen unter anderem:
- Meinungsfreiheit
- Religionsfreiheit
- Recht auf fairen Prozess vor Gericht und Schutz vor Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung
- Automatische Staatsbürgerschaft für jeden in Amerika geborenen Menschen
In der Geschichte der USA wurden großen Bevölkerungsteilen – allen voran den Afroamerikanern – viele dieser Grundrechte lange verwehrt. Auch deshalb wird die Verfassung noch immer als hart erkämpft angesehen und quer durch alle Bevölkerungsschichten unterstützt. Nur der zweite Zusatzartikel, der das Recht auf Waffenbesitz regelt, löst immer wieder heftige Diskussionen aus.
Kann die Verfassung überhaupt geändert werden? Prinzipiell ja. Dazu bräuchte es aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit des gesamten Senates, was aktuell mehr als unwahrscheinlich scheint. Dazu fehlt nicht nur der politische Wille, auch in der Bevölkerung wird das Recht auf Waffen nach wie vor in weiten Teilen unterstützt. Vor allem in ländlichen Gegenden sind viele Amerikaner auf ihre Waffen angewiesen. Im Gegensatz zum relativ urbanen Europa wird die USA von durchaus gefährlichen Tieren wie Berglöwen und Kojoten bevölkert. Die Landbevölkerung schützt sich und ihre Nutztiere im Notfall mit Waffengewalt. Die legale Jagd füllt oftmals den Kühlschrank einkommensschwacher Familien mit Fleisch und auch in den Städten sind es nicht nur stereotypische Waffennarren, die sich auf die Verfassung berufen.
Waffen zur Selbstverteidigung sind in den USA stark kulturell verankert. Gleichzeitig steigt die Angst, dass wenn Waffengesetze in den USA verändert werden können, auch alle anderen Rechte in der Verfassung nicht mehr absolut gelten werden.
Gemeinsam Wege zur Lösung finden
Um strengere Waffengesetze in den USA durchzusetzen, ist ein Kompromiss notwendig. Abschaffen wird man den zweiten Zusatzartikel der Verfassung nicht können und wollen. Intensivere Backgroundchecks, das Anheben des notwendigen Alters für Waffenkäufe und ähnliche Vorschläge lassen sich aber durchaus realisieren und haben – auch unter Waffenbesitzern – Unterstützung in der breiten Bevölkerung.
Wie die letzten Wochen gezeigt haben, sind vor allem junge Menschen hierbei sehr aktiv. Das renommierte Umfrage-Institut Pew Research fand allerdings heraus, dass Angehörige der sogenannten Millennials und Generation Z für und gegen stärkere Waffengesetze in den USA ähnliche Werte zeigen, wie die Generationen vor ihnen. Sicher lässt sich sagen, dass Waffen ganz zu verbieten und durch ein Rückkaufprogramm aus dem Umlauf zu ziehen, keine Option ist. Zu autoritär wäre dieses Verfahren, eine zu große Einschränkung in viele Rechte der amerikanischen Bürger. Experten betonen schon länger, dass die eigentlichen Gründe der Waffengewalt ganz andere Ursachen haben. Familiäre Gewalt, Armut und kein Zugang zur Hilfe für psychische Erkrankungen treiben junge Menschen in Gangs oder zu Amokläufen. Hier müsste die Politik ansetzen.
Als Vorbild gelten andere Länder mit hohem Schusswaffenanteil in der Bevölkerung, wie beispielsweise die Schweiz, in der viel weniger Gewalttaten geschehen.
Was bringt die Zukunft?
Es ist damit zu rechnen, dass einzelne Bundesstaaten, wie Kalifornien und andere demokratische Hochburgen, weiterhin ihre Waffengesetze verstärken. Landesweit fehlt dafür aber die Unterstützung der Bevölkerung, übrigens auch unter den Demokraten. Vor allem auf dem Land und in den Bundessaaten in der Mitte des Landes sind sich Anhänger beider Parteien in diesem Punkt überraschend einig. Deutlich strengere Waffengesetze in den USA zu fordern, wäre hier für jeden Kandidaten politischer Selbstmord.
Video: USA: Schüler fordern Waffenkontrolle | Weltbilder | NDR
© Titelbild: iStock.com – Gary Kavanagh
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